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Tagebuchschnipsel von Andreas
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1. Zurück in Deutschland
Ich bin zurück...
Anfang März - Berlin ist grau, es nieselt, es ist kalt, der erste Tag seit drei Monaten an dem ich die Sonne
nicht sehen kann. Der Mantel drückt und zieht die Schultern nach unten, die schweren Schuhe an den
Füßen verursachen Schmerzen. Blasse Menschen hetzen durch die Straßen, kein Auto hupt.
Der Supermarkt heißt jetzt wieder Edeka. Eine Mango kostet 1,99, ist klein, grün und hart. Ich kaufe
sie trotzdem und hoffe auf den Reifungsprozess in meiner kalten Küche.
Nach dem Einkauf fällt mir an der Kasse die Geheimzahl meiner Geldkarte nicht mehr ein, ich habe sie
seit einem Vierteljahr nicht mehr gebraucht...
Das alles ist so neu und doch bekannt. Was ist mit mir los? Der Kopf dreht sich und lässt nur eine
Erklärung zu: Ich liege in meinem Bett, schlafe tief und träume meinen Albtraum. Jetzt muss ich also
nur noch aufwachen ... in Ukunda, schweißgebadet bei 30°C am kühlen Morgen.
Wann zwickt mich endlich einer?
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2. Der Jahresabschluss
Jetzt sinken die Temperaturen langsam auf ein erträgliches Maß. Auf der Veranda meiner
Praktikantenwohnung weht noch der Rest des einschlafenden Passatwindes. Am pechschwarzen Himmel blinken hell die
Sterne. Aus dem drei Meter entfernten Nachbarhaus vor mir dringen laut die Geräusche einer afrikanischen
Familie, die mit, ich weiß nicht wie vielen Personen und einem Fernseher ihre Wohnung bewohnt. Hinter mir
der sich ständig monoton wiederholende Gebetsgesang in einem Andachtsraum, der gelegentlich in Schluchzen
und Jammern übergeht.
Plötzlich ist alles schwarz und still. Ein Stromausfall macht nicht nur alles stockdunkel, sondern stoppt
auch augenblicklich das dröhnende Leben in Ukunda. Vereinzelte Matatus auf der Straße und die Familie,
die in leiser Betriebsamkeit nach einer Kerze sucht, sind alles, was ich noch höre. Das kommt nach diesem
Tag wie gerufen - ein Moment der Ruhe und der Besinnung.
... Der Tag begann um halb sieben, mit einem Kaffee, den kühlen Morgen und eine Zigarette, zum langsamen
Hochfahren des Körpers, genießend, im Korbstuhl auf der Veranda. Ab sieben war dann auch der Laptop
dabei. Wir mussten heute fertig werden!
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Seit zwei Tagen arbeiteten wir schon an den Dankschreiben und Spendenquittungen für alle, die mit einer
Geld-, Sachspende oder einer Patenschaft die Entwicklung der Schule fördern. Die letzten Tage waren wir
damit beschäftigt, alles zu sortieren, die Spendenquittungen auszustellen und die Dankschreiben zu
formulieren. Heute musste nur noch alles ausgedruckt werden und eingetütet zur Gabi gebracht werden. Die
würde alles mit nach Deutschland nehmen und so den umständlichen Postweg abkürzen.
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Bei Kaffee und Zigarette auf der Veranda hatte ich die Dateien schnell soweit fertig, dass ich mit Inge und ihrem
kolossalen Gedächtnisses eine Stunde lang alles noch mal durchgehen konnte. Inge auf ihrem Sofa, das
eingegipste Bein hochgelegt, denkend, grübelnd und hoch konzentriert. Zwischendurch wurde Donat mit allen
möglichen Aufgaben betraut - er ist ein Schatz, zwar manchmal Mr. Vorsichtig aber immer Mr. Zuverlässig.
Dann endlich, der Moment, den man normaler Weise als Abschluss der Arbeit herbei sehnt - der Befehl an den
Computer: "Print!".
Mist! Hightech in den Tropen, neigt gelegentlich zu totaler Arbeitsverweigerung!
Wir brauchten eine weitere Stunde, um einzusehen, dass wir unseren Drucker heute nicht mehr zur Arbeit bewegen
konnten. Also ging es los ins nächstgelegene Internetcafé. Inge quälte sich mühsam mit
ihren Krücken in den Bus und Donat fuhr uns in Richtung Beach.
Bei Jeff sollte ein Ausdruck nur 10 KSh kosten. Nur war nach drei Ausdrucken die Patrone leer und keine neue zur
Hand. Wir wussten, jetzt wird es deutlich teurer, denn in dem anderen Internetcafé verlangen sie
mittlerweile 20 KSh pro Seite.
Zunächst mussten wir aber zur Schule. Dort wartete seit einer Stunde eine Mutter, die zwar für den
Morgen bestellt, aber erst um 12.00 Uhr erschien. Ein ernstes Gespräch mit der Mutter, dann noch mit Mdm.
Teresa, einer Lehrerin der Maendeleo Academy - Inges Bein schwoll zunehmend an und ihre Schmerzen nahmen zu.
Von der Schule zurück nach Ukunda zum teuren Drucker, der aber nach 30 Seiten ebenfalls seinen Dienst aufgab.
Inge postierte sich im African Pot und funktionierte als Denk- und Schaltzentrale. Im Internetcafé
rotierten die Angestellten, um einen anderen Drucker zu überreden, wieder zu arbeiten. Ohne Erfolg! Inge
konnte ihre Schmerzen kaum noch kontrollieren.
Auch im dritten Internetcafé war kein Erfolg abzusehen. Hier waren die Computer maßlos
überlastet. Also beschlossen wir schließlich unser Glück bei Dennis zu versuchen und ihn zu
überreden, alles auf seinen Druckern auszudrucken. Dennis, ein deutscher Unternehmer, der sich am Beach ein
Safari-Unternehmen trotz aller Widrigkeiten aufgebaut hat, half schon oft der Maendeleo Academy und auch diesmal
war auf ihn Verlass. Bis auf wenige Seiten, hatten wir alles zum Eintüten zusammen. Vollständig war es
immer noch nicht, denn auch bei Dennis versagten die Drucker nach einer Weile.
Gegen 20.00 Uhr endlich die Dusche. Mit Gabi war alles besprochen, sie bekommt morgen um neun (mit kenianischer
Pünktlichkeit) die Briefe, um sie nach Deutschland zu transportieren - und die Briefe waren nach einem
ganzen Arbeitstag ausgedruckt! ...
. Der Stromausfall ist vorbei. Ukunda lärmt wieder. Der Fernseher strahlt irgendwelche Filme für die
Familie aus. Das Schwitzen ist vorbei. Von der eiskalten Bierflasche laufen dicke Tropfen Kondenswasser in
Bächen auf mein T-Shirt. Eine leichte Briese, die schwarze Nacht, die hell funkelnden Sterne .
Es gibt keinen Platz auf Erden, an dem ich diesen Tag lieber hätte verbringen mögen!
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3. Ukunda - Leben im Schatten der Touristenstrände
Ukunda ist einer der Orte, von dem man sich im ersten Moment lieber abwendet, von dem
Touristen aus Europa Schnappschüsse aus den Autos und Kleinbussen machen, während sie auf der Fahrt
vom Flughafen zu ihren Hotels erste Eindrücke von den prekären Verhältnissen in Afrika
aufnehmen und geschockt sind, geschockt sind, von dem Elend, das sie mit ihrem ersten flüchtigen Blick
wahrnehmen.
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Aber Ukunda ist mehr als nur Staub und Dreck, als brennender Müll und Fliegen auf ungekühltem Fleisch,
ist mehr als armselige Behausungen und auf dem Müll spielende Kinder, ist mehr als heruntergekommene
Buden. in denen die letzten Habseeligkeiten verkauft werden. Der Ort bleibt solange ein Moloch, der einen
zu verschlingen droht, solange man es nicht schafft sich auf ihn und seine Bewohner einzulassen.
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Man muss sich überwinden und es braucht Zeit, sich Ukunda wirklich nähern zu können. Man
muss tief eintauchen und man muss hier wohnen. Inzwischen weiß ich, dass man sich hier geborgen und
wohl fühlen kann. Geborgen in der Wohnung mit dem luxuriösen Ventilator an der Decke, geborgen mit
den am Anfang nicht lauten Nachbarn.
Kleine Episoden helfen beim Ankommen. Was muss der Nachbarin durch den Kopf gegangen sein, als sie einen Mann
auf der Veranda der Praktikantenwohnung sah, der mit der Hand einen Knopf an sein Hemd nähte. Es war
aber für sie Anlass genug um ihm lachend einen Schmatzer auf die Wange zu geben. Oder der
Obstverkäufer, der sich nach kurzer Diskussion vor Lachen krümmte und die Ananas über den
Holzwagen reichte, weil ein Weißer den genauen Tagespreis kannte und nicht gewillt war mehr zu bezahlen
als ein Einheimischer. Nach ein paar Wochen unterbleibt auch das PAPA-BEACH-Geschreie der Matatubesatzungen
und von den TUK-TUK-Fahrern kommt ein Jambo-Habari mit einem angenehmen Lächeln. Je mehr Menschen man
kennenlernt desto mehr differenziert man. Die Gerüche des Ortes, ausgelöst durch brennenden Müll und dem
Abwasserkanal hinter dem Haus, stören nicht mehr. Die tierischen Mitbewohnern, die am Anfang abschrecken,
werden zwar weiter zielstrebig verfolgt, aber sie gehören dazu.
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