Tagebuch 2009
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52. Kalenderwoche von Julia


Transformator geklaut!

Es ist kaum zu glauben: Unbekannte haben in der Nacht von Freitag auf Samstag den Transformator, der für Mwabungo und damit auch die Diani Maendeleo Academy zuständig ist, geklaut!

Seit fast einer Woche ist dieser riesige Apparat nun schon verschwunden und es sieht momentan nicht so aus, als würde die Gegend innerhalb der nächsten Tage wieder mit Strom versorgt werden können. Schon seltsam, wenn man bedenkt, dass so ein Transformator einige 100 Kilogramm wiegt und auch nicht gerade Hosentaschenformat hat- da muss wohl eine ganze Truppe samt LKW angerückt sein, um dieses Gerät in Bewegung zu setzten!

Wer die Diebe waren und für wen unser Transformator in Zukunft arbeiten wird, steht in den Sternen. Tatsache ist, dass wir ohne Strom nicht arbeiten können. Was bedeutet, dass jegliche Arbeiten, für die ein Computer notwenig ist, von unserer Wohnung in Ukunda aus gemacht werden müssen.

Zu allem überfluss haben wir auch noch immer mit den ständigen Stromausfällen zu kämpfen, so dass dieser Notfallplan noch lange nichts über das Resultat unserer Arbeit zu sagen hat. Schließlich stehen die Praktikanten, am Ende des Tages, nicht selten mit einem ganzen Stapel handgeschriebener Zettel da. Diese müssen dann, sofern es einmal wieder über einen längeren Zeitraum Strom gibt, mit dem Computer abgetippt werden- was doppelte Arbeit bedeutet...


50. Kalenderwoche von Julia


Von der Schulbank ins Gefängnis

Dieser Weg blieb unseren Schülerinnen der Form 4 glücklicherweise erspart.
Die KSCE (Kenyan Certificate of Secondary Education) Prüfungen 2009 sind an der Diani Maeneleo Academy, wie in den meisten Schulen Kenias, ohne Probleme über die Bühne gegangen. Demzufolge werden unsere Mädchen nur noch bezüglich der bevorstehenden Notenbekanntgabe im Februar auf die Folter gespannt.

Anders sieht dies alledings an anderen Schulen aus. Wie schon in der Vergangenheit waren auch dieses Jahr im Vorfeld der Examen wieder Kopien von Prüfungsbögen im Umlauf. Auf dem Schwarzmarkt in Nairobi wurden diese für 30.000 ksh (umgerechnet ca. 300 Euro) verkauft. Die Echtheit dieser Bögen wurde vom Kenya National Examination Council jedoch nicht bestätigt. Fünf Schüler wurden bis jetzt wegen Betrugs ins Gefängnis gesperrt und weitere vier sind, seitdem Vorwürfe des Betrugs gegen sie laut geworden sind, auf der Flucht.

Einige kleinere Probleme gab es an verschiedenen Schulen Kenias. Im Landesinneren startete ein Erdkundeexamen eine halbe Stunde früher als erlaubt, in Nyamira erhielten einige Schulen zu wenige Prüfungsbögen und in Nairobi fehlte es hier und da an Schreibwerkzeug. Außerdem hatten sich an einigen Orten Abschlussschüler unter falschem Namen angemeldet. Weitere, die auch mit einer Gerichtsverhandlung ihres Falls rechnen müssen, ließen sogar jemand anderen unter ihrem Namen zu einem Examen antreten. An zwei Schulen in Nyanza und Gucha wurden rund 60 Schüler, vermutlich ohne eigenes Verschulden, von den Prüfungen ausgeschlossen. Obwohl diese nach eigener Aussage die Prüfungsgebühren an die Schule gezahlt hatten, veruntreute die Schulleitung die Gebühren und gab diese nicht an das Kenya National Examination Council weiter. Was für ein Glück, dass Ingeborg Langefeld sich nicht mit dem Geld unserer Schülerinnen über alle Berge gemacht hat!

Etwas erfreulicher lief es für zwei Schülerinnen, denen die Möglichkeit gegeben wurde, an KCSE Prüfungen aus dem Krankenhausbett teilzunehmen. Sie legten ihre Prüfungen regulär ab und es bleibt auch für diese beiden nur zu hoffen, dass sich das lange Warten und Bangen auf die Ergebnisse lohnt.


45. Kalenderwoche von Julia


Ein Bücherkauf mit Hindernissen...

Puh! Das war ein Tag...
Das Wetter meinte es mit Donat, mir und der 500 Pfund Spende des Kenyan School Projects nicht gut: Gerade als wir uns auf den Weg von der Praktikantenwohnung nach Mombasa gemacht hatten, um neue Bücher für die Schulbücherei zu kaufen, begann es wie aus Kübeln zu Schütten. Der Regen prasselte nur so vom Himmel und hatte in weinigen Minuten alle Straßen unter Wasser gesetzt, so dass unser Matatu nicht nur einmal ins Schlittern kam.
Nach dem Motto: "Augen zu und durch" sind wir dann, glücklicherweise ohne auszurutschen, mit unseren Regenschirmen bewaffnet auf die Fähre gestolpert und haben uns auf den Weg in die Innenstadt gemacht. Dort angekommen, sind wir den größten Pfützen am Anfang noch ausgewichen, haben diese Idee dann aber im Laufe des Tages verworfen, da es im Endeffekt zwischen einem nassen und einem triefend nassen Pudel keinen merklichen Unterschied gibt.
Nachdem Inge die Einkaufsliste telefonisch ein duzend Mal erweitert hatte (ich glaube die Angestellten des Buchladens haben mich spätestens nach dem 10. Anruf für total übergeschnappt gehalten) und unser Budget von 500 Pfund erschöpft war, sind Donat und ich mit zwei riesigen Kartons voller Bücher, Schreibutensilien und einem nigel, nagel, neuen Zirkelset für die Tafel in ein Tuc Tuc (moderne Form der Rikscha) gestiegen und haben uns zur Fähre zurück kutschieren lassen.
Dort angekommen standen wir vor einem Problem: die Kisten waren einfach zu schwer für mich! Ich war nicht in der Lage die Bücher zu tragen und Donat konnte unter keinen Umständen beide Kartons auf die Schulter nehmen. Da musste ein Transporter her - in unserem Fall ein breitschultriger Kenianer mit tätowierten Oberarmen, der die Bücher unversehrt, durch den noch immer anhaltenden Regen balancierte. Gesagt. Getan.
Eine halbe Stunde später saßen Donat, ich und ca. 200 Bücher nass (die Bücher zum Glück nicht, da sie im Gegensatz zu uns ein Regencape hatten) aber glücklich in einem Matatu auf dem Weg zurück zur Schule - wo uns Inge und Pascalina schon mit großer Augen erwarteten...

    


31. Kalenderwoche von Gesche


Luxustag im Hotel

An Lisas letzten Samstag hatten wir einen Luxustag im "Neptun", einem Hotel hier am Diani Beach. Nach sechs Wochen in Kenia, in denen ich ein recht einfaches Leben geführt habe, war ich mit dem Luxus im Hotel fast ein wenig überfordert.
Geschenkt wurde uns dieser Tag von dem Manager des Hotels höchstpersönlich. Dieser ist Mitglied in Inge's Rotary Club und wollte den Praktikantinnen der Schule eine Art "Danke schön" für die Vorträge zukommen lassen, die wir beim Meeting gehalten haben.
Dieses "Danke schön" fing mit einem traumhaften Mittagessen an, bei dem es zum Nachtisch frisches Obst gab, welches extra für die Gäste vor Ort geschnitten wurde. Weiter ging es mit einem Nachmittag am Pool und Kaffee und Kuchen gegen vier. Kaffeezeit wurde von singenden Grundschülern angekündigt, die mit eigener Choreographie um den Pool gelaufen sind und ein rhytmisches "Tea time soon" gesungen haben.
Außerdem hatten wir auch unglaublich viel Glück mit dem Wetter und konnten den ganzen Tag an einem der drei Pools liegen oder uns im Wasser erfrischen.
Obwohl der Luxus auch mal ganz nett war, ist es schon komisch, zu wissen, dass die ganzen Touristen hier her kommen, und nichts von dem wirklichen Leben mitkriegen. Keiner sieht die Familien, die sich nicht über den ständigen Stromausfall oder das nicht fließende Wasser aufregen, da ihre Häuser sowieso weder Elektrizität noch einen Wasseranschluss besitzen.
Zurück in meinem kenianischen Alltagsleben blicke ich auf einen netten Tag zurück, bin aber dankbar, nicht Tourist zu sein.


29. Kalenderwoche von Gesche


Mein erster Hausbesuch

Die Schule macht regelmäßig Hausbesuche bei den gesponserten Mädchen, um sich ein genaues Bild von der Lebenssituation machen zu können.
Mein erster Hausbesuch war bei einem Mädchen aus der Form 2 (10. Klasse), deren Familie der Schule als sehr arm beschrieben wurde. Da die finanzielle Situation aber immer ein wenig unklar und geheimnisvoll war, sollte der Sache noch einmal nachgegangen werden.
Begleitet wurde ich bei diesem Hausbesuch von Moses, einem Kenianer, der für die Schule die Buchhaltung macht. Als wir bei der Familie ankamen, wurde die Gartentür zu einem großen Haus geöffnet. Allerdings wurden wir in eine ca. drei mal drei Meter große Hütte gleich nebenan geführt. Für mich sah die Hütte eher aus wie eine Abstellkammer und ich war für einen Moment verwirrt. Die Mutter erklärte uns dann, dass das Haupthaus dem Vermieter der Hütte gehört und sie diese Hütte und die sanitären Einrichtungen nutzen dürfen, ohne Miete zu zahlen. Als Gegenleistung "unterstützt" die Mutter den Vermieter beim Kochen und Wäsche waschen etc.
Der Fußboden war so uneben, dass man nicht einmal einen Stuhl hinstellen konnte, ohne dass dieser wackelte - nicht dass es viele Stühle in diesem "Haus" gegeben hätte. Man schleppte kleine Hocker von irgendwo an, damit wir uns setzen konnten. Ein Bett gab es auch nicht, nur einige dünne Laken, die auf dem Boden lagen. Kleidung war auch nirgendwo zu sehen. Eigentlich gab es in diesem Haus gar nichts, was man meiner Meinung nach zum Leben braucht. Und hier sollte eine 4-köpfige Familie wohnen? So richtig vorstellen konnte ich mir das nicht.
Die Mutter entschuldigte sich, dass sie uns nichts anbieten konnte, aber die Familie hatte momentan nichts, was man uns anbieten könnte. Sie hoffte, dass es nächstes Mal anders wäre. Die Familie lebt von dem Gehalt des Vaters. Dieser hat nur Gelegenheitsjobs, im Moment arbeitet er als Askari (Wachmann) und verdient damit 15 Euro in der Woche. Für die Familie ist das viel mehr, als sie in den vorherigen Monaten zur Verfügung hatten.
Als wir die Familie verließen, war ich gedanklich noch ziemlich mit dem Besuch beschäftigt. Moses Urteil war erschütternd."Lieber tot, als das!", waren seine Worte, als wir wieder im Auto saßen.


28. Kalenderwoche von Andreas


Entlastung für Donat

Kassim, unser Vorarbeiter der Schule, ist jetzt stolzer Besitzer einer Driver License.
Wir bemühen uns im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten, nicht nur den Schülerinnen bessere Startbedingungen ins Leben zu ermöglichen, sondern auch unsere Arbeiter und Angestellten weiterzubilden und zu qualifizieren. Natürlich steht dabei auch ein gewisses Maß an Eigeninteresse dahinter, schließlich müssen wir dies gegenüber den Sponsoren in Deutschland verantworten können.
Bisher hatten wir das Problem, dass Donat, unser Fahrer, der einzige Beschäftigte der Schule war, der den Schulbus fahren konnte. Das war riskant, bestand doch immer die Gefahr, dass er mal wegen gesundheitlicher Probleme ausfallen könnte. Wie sollen dann die Mädchen zur Schule kommen? Nun wird sich Kassim mit Donats Hilfe noch ein wenig Fahrpraxis aneignen und wir haben dann eine echte Vertretung. Natürlich hoffen wir, dass er trotz Qualifizierung zum Fahrer uns erhalten bleibt und sich nicht eine neue Stelle sucht.


27. Kalenderwoche von Andreas


Maendeleo goes öko!

Das ist nicht neu. Maendeleo heißt nun mal auf Kiswahili Fortschritt. Da kann die ökologie natürlich keines Falls außen vor bleiben.
Wer sich auf dem Gelände umsieht, entdeckt diverse ökologische Lehrobjekte. ökologisch soll es sein, trotzdem muss es leicht und möglichst kostenlos umsetzbar sein. Die Schule ist ein Multiplikator, überzeugt man die Mädchen von den Erfolgen einzelner Projekte, so werden sie das zu Hause und in ihrer Umgebung weitergeben.
Lange schon existieren die Tröpfchenbewässerungs-"anlagen" für neue Pflanzungen, hergestellt aus alten Plastikflaschen, werden Abfälle zu neuem Humus kompostiert, wird streng darauf geachtet, dass niemand Wasser verschwendet und haben die Wellblechdächer Regenrinnen, die das Regenwasser in schwarze Tanks leiten.
Wellblechdächer sieht man viele in Kenia, selten sind Regenrinnen daran. Der Kostenaufwand erscheint hier vielen zu groß, es wird oft nicht langfristig gerechnet.
Seit neuestem beschäftigen sich die Mitglieder des Interact-Club, das ist eine Arbeitsgruppe von Schülerinnen, die vom Rotary-Club unterstützt wird und an unserer Schule aktiv ist, mit der Regenwassersammlung von Makutidächern. Diese traditionellen Palmendächer sind weit verbreitet und gerade die armen Bevölkerungsschichten können sich, selbst wenn sie wollten, kein Wellblech leisten.
Ein Abschluss an einer Secondary School bedeutet, dass das kenianische Abitur angestrebt wird, was liegt also näher, als den Forschergeist der Schülerinnen anzustacheln. Sie bekamen die Aufgabe, mit möglichst einfachen Mitteln ein System zu entwickeln, mit dem man möglichst viel und sauberes Regenwasser von den Makutidächern auffangen kann.
Nach eingehenden Diskussionen stand es fest. Leere Wasserflaschen, eigentlich Müll, werden das Problem lösen. Nach dem Sammeln der Flaschen, wurden sie aufgeschnitten und zu Regenrinnen zusammen geklebt. Ein Brett am unteren Ende des Daches gab den nötigen Halt.
Natürlich unterstützten Kassim, Harrison und der begeisterte und begeisternde Lehrer Mr. Libondo den Aufbau.
Und was kommt in einer Schule, nach dem Versuchsaufbau? Aber ja doch, alles wurde protokolliert. Akribisch wurden täglich die aufgefangenen Wassermengen gemessen und zu Papier gebracht.
Während der Testreihen wurde über Verbesserungen nachgedacht. Irgendjemand organisierte schließlich noch eine Plastikplane, die übers Dach gelegt, die aufgefangenen Regenmengen stark erheute. Die Mädchen hat's gefreut, wollten sie doch möglichst viel Wasser auffangen, auch wenn solch eine Plastikplane nicht ganz mit den Vorgaben einherging.


27. Kalenderwoche von Andreas


Wo ist Mr. Collins?

Im Halbdunkel stehen dicht gedrängt hinter einem Tresen dutzende Menschen deren Augen hell wach und ängstlich in Richtung Tür gerichtet sind. Sie verunsichern, aber jetzt interessiert nur noch eine Frage: Wo ist Mr. Collins?
Wir saßen am Abend schon gemütlich auf der Terrasse, genossen den Feierabend und diskutierten ein neues Projekt. Die Schule soll eine Regenwasserzisterne erhalten, um die schwarzen Plastiktonnen, die bisher zur Sammlung des Regenwassers ihren Dienst taten, zu ergänzen. Das neue Gebäude hat inzwischen auch ein Dach und der Regen rinnt ungenutzt ins Erdreich.
Als der aufgehende Mond den Hof beleuchtete, war allen klar, das wird ein ruhiger, angenehm milder Abend, mit einem wunderschönen klaren Blick in den Himmel. Der Mond strahlte auch in Mr. Mungais Gesicht, als er sich an Ramas' Haus vorbei schob und auf uns zukam. Was war los? Lehrer lassen sich hier nur äußerst selten blicken.
Schnell saßen wir im kleinen Schulbus und versuchten, unser Adrenalin in den Griff zu bekommen. Inge schnaufte vor Wut und fuhr sogar, um Zeit zu sparen, die steile Auffahrt hoch, über die hohe Kante, auf die neu asphaltierte Straße.
Vor dem Gebäude hatte sich ein Menschenauflauf gebildet, alle wild gestikulierend, mit dem Wachmann am Eingang diskutierend. Durch die offene Tür sah man die besorgten und verängstigten Gesichter hinter diesem Tresen.
Inge ließ sich auf Diskussionen mit dem Wachmann an der Tür nicht ein. Forschen Schrittes betrat sie den Vorraum, suchte einen freien Platz am Tresen und verlangte, in ihrer unnachahmlichen Art, ihren Headmaster zu sprechen.
Der Polizeibeamte reagierte forsch und arrogant, also ließen wir ihn stehen. Dann sahen wir ihn endlich. Zwischen den vielen verhafteten Menschen kämpfte sich der kleine Mr. Collins nach vorn. Ein Lächeln huschte über sein etwas entstelltes Gesicht, als er uns auch erkannte. Wir haben ihn gefunden, stellten wir erleichtert fest. Aber was war passiert? Weshalb verhaftet man unseren Schulleiter? . Das wird geklärt!
Inge ließ sich auf Nachfragen der Polizeibeamten gar nicht erst ein und verlangte sofort den verantwortlichen Leiter zu sprechen. Und der kam sofort! Er führte uns in sein Büro und erklärte umständlich, dass es eine Morddrohung gegen einen Mzungu (Kiswahili: Weißer) gegeben hätte. Die Polizei musste handeln, also handelte sie, wie es in Kenia üblich ist. Sie umstellte das Gebiet, in dem der potenzielle Täter vermutet wurde und verhaftete alle Kenianer, die sich darin aufhielten.
Inzwischen war auf unser Drängen Mr. Collins ins Büro des Chefs geführt worden und durfte sich sitzend noch mal zu dem Sachverhalt äußern. Soweit war alles klar. Aber warum war das Gesicht geschwollen? Warum war die Lippe aufgesprungen?
Inge fragte energisch nach. Der Polizeichef erzählte irgendetwas von minimaler Gewaltanwendung. Die Polizei setze nicht mehr Gewalt ein als unbedingt nötig. Mr. Collins muss sich seiner Meinung nach g ewehrt haben und deshalb war es nicht anders möglich, als ihn minimal zu schlagen.
Inge konnte nicht mehr an sich halten, als sie erbost meinte, dass Mr. Collins Darstellung ja wohl anders aussähe. Seine lapidare Antwort war nur, dass sie ja wohl nicht dabei gewesen wäre. Antwort: Er aber auch nicht und sie vertraue ihrem Schulleiter, den sie als friedfertigen Menschen über viele Jahre kennt.
Wir durften endlich gehen, mussten uns aber noch von einem Polizeibeamten anhören, dass Mr. Collins selber schuld sei. Mit solch einem T-Shirt und den langen Haaren läuft man als Headmaster doch nicht rum. Da war sie endlich raus, die eigentliche Ursache, die zu den übergriffen auf unseren Schulleiter geführt haben dürfte.
Wir ließen die wartende Menge hinter uns, die Menge der Angehörigen, die hofften, ihre Männer, Väter, Söhne oder Brüder abholen zu können. Als wir gingen spürten wir die traurigen Blicke der Angehörigen und auch der Verhafteten. Ihr Problem stand ihnen vor Augen: Sie waren nicht weiß oder hatten keine weißen Freunde .


26. Kalenderwoche von Lisa


Häuser ohne Fenster, Street Life und der Finanzbericht für 2008

Seit knapp einer Woche bin ich jetzt in Kenia und möchte versuchen, meine ersten Impressionen darzulegen.
Meine ersten Eindrücke, nur welche von den vielen Bildern, Gerüchen, Geräuschen und Fakten, die täglich auf mich einprasseln, soll ich hier beschreiben?
Und das mit dem einprasseln meine ich nicht nur im übertragenen Sinne, sondern ganz wörtlich: Kenianische Häuser sind Häuser ohne Fenster. Sehr ungewohnt erst mal, aber den Temperaturen e ntsprechend durchaus sinnvoll. In Kombination mit der sehr engen kenianischen Bauweise aber auch mit Nebenwirkungen verbunden: man bekommt das Leben des Nachbarn hautnah mit. Nun ja, zumindest wohl die Kenianer untereinander, ich verstehe vom Streit auf Kiswahili kein Wort. Essensgerüche, die Musik und das Stimmengewirr aus einer Bar, Kindergeschrei nachts um 3 und das Krähen eines Hahnes direkt unter meinem Fenster ab morgens um 5 dringen jedoch ungefiltert zu mir vor.
Meine ersten Eindrücke "In Kenia wirkt alles improvisiert und halb fertig" Häuser, Autos, Inneneinrichtung, Schulbetrieb. Sehr viele Menschen können zumindest ein paar improvisierte Brocken deutsch, vor allem, wenn sie dir etwas verkaufen möchten. Als Frau, unterwegs mit einem Mann, wirst du knallhart ignoriert oder zumindest mal nicht angesprochen. Gekocht wird öffentlich in den schmalen Gängen zwischen den Häusern.
In der Sportart "Touristen ausnehmen" sind Kenianer sehr findig: auch wenn man im Restaurant extra die Speisekarte verlangt wegen den Preisen, wird versucht einem weiszumachen, dass das Essen heute 350 statt den angeschriebenen 250 Ksh. kostet. Dass dasselbe Essen in Mwabungo noch mal ein Zehntel von dem kostet, was in Ukunda verlangt wird, ist noch mal etwas anderes.
Den Verkehr würde der frisch eingetroffene Europäer schlicht als halsbrecherisch bezeichnen. Bei meiner ersten Fahrt in Donats Schulbus, der Krach macht wie ein Herde Elefanten und genauso wackelt, war mein einziger Gedanke, wie überlebe ich das bloß? Alle auf den Straßen rasen wie von James Bond persönlich verfolgt, die Fahrzeuge sind aber kaum als fahrtüchtig zu bezeichnen, sie erscheinen vielmehr wie schrottreife Blechdosen, an die irgendein Verrückter Räder und - ganz wichtig - eine, oder auch mehrere Hupen geschraubt hat.
Dunkle, stinkenden Abgaswolken hinterlassende LKW's liefern sich Rennen mit klapprigen Bussen und Matatus (Sammeltaxis), die meist noch mit offener Tür losfahren. Zwischendrin Ziegen, Hunde, Hühner, Leute mit Handkarren und Wasserverkäufer, sowie ganze Völkerwanderungen an Fußgängern, vor allem nach Einbruch der Dämmerung.
An den Straßenrändern gibt es von Mangos und Ananas über T-Shirts, CD's und Gürtel bis hin zu Plastikgeschirr fast alles Mögliche und Unmögliche zu kaufen.
Fließend Wasser haben wir im Moment nicht, da die Wasserwerke ihre Stromrechnung nicht bezahlt haben und die Elektrizitätswerke ihnen dann kurz entschlossen den Saft abgedreht haben. Gut, für die Mehrheit der Kenianer macht das ohnehin keinen Unterschied, da sie ihr Wasser aus irgendwelchen Brunnen, wenn nicht gar dreckigen Wasserlöchern holen. Kaum zu fassen, aber sie trinken das tatsächlich! während ich mich mit dem Wasser, das wir nun täglich mit Kanistern aus irgendwelchen Brunnen holen, am liebsten nicht mal waschen möchte. Aber das teure Trinkwasser kommt dafür natürlich nicht infrage.
Man lernt, sich zu arrangieren, obwohl natürlich alles komplizierter wird. Geschirrabspülen, Wäschewaschen genauso wie Händewaschen - ganz neue Körpertechniken werden notwendig. Die kenianische Art der Toilette ist dem europäischen Klo in solchen Situationen eindeutig überlegen. Kenianisch bedeutet, ein Loch im Boden, ganz tief, und oben zwei Tritte, auf die man sich stellt. Vorteil: es ist tief, man sieht nichts, hört nur bisschen was, und riecht auch nichts. Unser Wasserklo in der Praktikantenwohnung funktioniert mit Wasser aus dem Kanister dagegen nur mangelhaft.
Was erwartete mich an Arbeit? Nun, erwartet hatte ich das jedenfalls nicht. In meiner ersten Praktikumswoche stand der Jahresabschluss 2008 an. Ein einziges Chaos. Hunderte einzelner Blätter, Belege, Ordner voller "kenianischer Quittungen" (=Papierfetzen), die sortiert und in Exceltabellen eingegeben werden sollten.
Ganze handschriftlich verfasste Bücher gibt es über die Bezahlung von School Fees und Transport Fees. Sie werden in Kleinstbeträgen abgestottert, kaum jemand zahlt den Trimesterbeitrag (stolze 5500 Ksh, ca. 55 Euro) komplett und auf einmal. Das wundert nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, dass man an kleinen Kiosks usw. bereits mit 1000er Noten gar nicht mehr bezahlen kann, da niemand genug Wechselgeld dafür hat - 5500 Schilling sind also eine ganze Menge für arme Familien. 50% der Mädchen haben jedoch das Glück, gesponsert zu werden. Wenn man die Bücher durchgeht (die ebenfalls in Exceltabellen übertragen werden müssen), wird einem klar, warum die Schule durchgehend rote Zahlen schreibt: bis auf die gesponserten Mädchen haben alle z.T. erhebliche Schulden. Meist werden die gar nicht zurückgezahlt: sobald ein Mädchen in Term 4 (der Abschlussklasse) zum Endjahresexamen angemeldet ist, hören die Zahlungen auf.
Es wurde deshalb eingeführt, dass Mädchen, die ihre Schulden nicht zumindest ansatzweise begleichen, wieder heim geschickt werden, und nicht am Unterricht teilnehmen dürfen. Die beste Lösung ist natürlich, wenn sich ein Spender für sie finden würde.
Soweit meine ersten Erlebnisse in Kenia. Noch sechs weitere Wochen liegen vor mir und ich freue mich auf spannende Erfahrungen und interessante Arbeit. Viele Grüße aus Kenia, Lisa


17. Kalenderwoche von Ingeborg Langefeld


Registrierung mit Hindernissen oder: Ein gebrochenes Bein kann auch nützlich sein.

Seit Anfang letzten Jahres bemühe ich mich um die endgültige Registrierung der Schule. Erst war wegen der Unruhen nach den Wahlen nichts zu machen, dann würde der Distrikt geteilt und wir kamen zu Msambweni, dort waren aber noch keine Mitarbeiter. Also wurden wir an den alten Distrikt verwiesen, der zuständige Sachbearbeiter war aber gerade versetzt worden. Nachdem die Stelle neu besetzt und der neue Sachbearbeiter geschult worden war, hieß es dann, nun sei doch der neue Distrikt zuständig. Im August erreichte ich endlich den nun zuständigen Regierungsbeamten im District Education Office (DEO). Im September wurde die Schule inspiziert. Dann passierte trotz wiederholter Nachfragen lange nichts. Auf meine Fragen hörte ich stets, wir hätten alles eingereicht, was wir brauchen. Im Februar hat das District Education Board (DEB, Entscheidungsgremium auf Distriktebene) dann endlich der Registrierung unserer Schule zugestimmt. Seitdem hörte ich, wir bekommendie Sachen bald. Die endgültige Genehmigung wird von Erziehungsministerium erteilt.

Seit Anfang der letzten Woche sollte ich die angeblich fertigen Unterlagen abholen, die dann nach Nairobi mussten, jeden Tag, wenn ich dort ankam, hieß es, sie sind noch nicht fertig. Am Mittwoch meinte ich dann, man sollte alles fertig machen, ich käme dann in den nächsten Tagen vorbei, ich hätte auch noch andere Aufgaben. Man stimmte dem Vorschlag zu.
Am gleichen Abend lächelte mich ein Mann auf der Straße an, ich lächelte zurück, wir kamen ins Gespräch und ich erzählte ihm, dass ich eine Schule habe. Sein Kommentar, er habe den ganzen Tag Formulare unterschrieben von Schulen, die die Registrierung beantragt hätten, ob ich dabei sei? Er ist der neue County Council Clerk (so etwas ähnliches wie der Geschäftsführer eines Landkreises). Nachdem ich ihm erzählte, dass ich noch auf die Papiere vom DEO warte, meinte er, dann hätte ich ein Problem, die Deadline sei Montag, danach könnten meine Schülerinnen nicht mehr fürs Examen registriert werden, etwas, was wir vor Monaten beantragt hatten. Als ich am nächsten Morgen beim DEO anrief, sagte man mir nur lapdar, das sei wahr.
Als ich ziemlich wütend hinfuhr, um die Papiere zu bekommen, erfuhr ich, dass ich neben der Unterschrift meines neuen Bekannten, den der Himmel geschickt haben muss, auch noch einen Gesundheitsreport brauche. Meine Papiere bekam ich immer noch nicht, weil man wohl geschlampt hat und das DEB gar nicht hätte zustimmen dürfen, ohne das alles komplett ist. Man wisse aber, was zu tun sei, falls ich die Frist verpasse (Diese Verzögerungstaktik ist typisch, man soll "motiviert" werden, zu zahlen, um die Sache zu beschleunigen.) Die Gesundheitsinspektoren waren sofort da, der Report wurde Freitagmorgen fertig, den Hinweis auf "Kiti Kidogo", eine kleine Zahlung, habe ich diskret überhört, allerdings die Inspektoren zum Mittagessen eingeladen, nachdem sie alles stehen und liegen gelassen und ihre Mittagspause geopfert hatten, um uns zu helfen.
Weitere Nachbohren bei der Schulbehörde ergaben, dass ich noch zweiFormulare brauchte, die natürlich weder unterschrieben noch auffindbar waren. Irgendwann fanden sie sie dann doch. Als ich dann den County Council Clerk, meinen neuen Bekannten, anrief, war der schon fast auf dem Weg nach Mombasa. Wir haben uns dann an der Kreuzung nach Kwale getroffen und er hat die Formulare unterschreiben. Manchmal geschehen eben doch Wunder.
Sonntagabend ging es dann mit einem bandagierten Bein und einer Krücke, da mein Beinbruch noch Probleme macht, sowie mit meinen Papieren im Bus nach Nairobi. Als ich Montagmorgen um halb neun im Ministerium ankam, fiel mir mit Schrecken ein, dass ich keinen Ausweis mitgenommen hatte, da man mir bei einem früheren Aufenthalt die Handtasche gestohlen hatte und die Wiederbeschaffung meiner Papiere mehr als mühselig war. In einen Ministerium bekommt man aber einen Besucherpass und muss dafür den Ausweis hinterlegen. Offenbar sah ich mit meiner Krücke so harmlos und so leidend aus, dass man mir die Zimmernummer nannte und mich so durchließ.
Oben angekommen, fand ich mehrere Leute vor mir. Es gab eine Liste, in die wir uns der Reihe nach eintrugen, ich war Nummer 12. So weit so gut - dann brach das Chaos aus: Es kamen immer mehr Leute; nachdem die erste Liste voll war, begann man eine zweite und keiner wusste, welcher Liste man folgen sollte; es gab kaum Sitzplätze; einige Neuankömmlinge gingen einfach durch; es gab nur eine Sachbearbeiterin (Großraumbüro) usw. Schließlich stand ich auf und schlug vor, das Ganze entsprechend den Listen zu organisieren und die Leute aufzurufen. Dem Vorschlag folgte man dann auch, mich brachte man inzwischen zu einem Stuhl in der Nähe der Sachbearbeiterin. Diese bearbeitete gerade den Antrag eines Mannes, der sich einfach an den Wartenden vorbeigedrängelt hatte. Der Abteilungsleiter forderte ihn auf, sich hinten anzustellen. Ich sei schon seit Stunden da, ganz offensichtlich behindert und jetzt an der Reihe. Meine Proteste, es seien noch zwei Leute vor mir, wurden ignoriert.
Ich legte meine Papiere vor und die Sachbearbeiterin, meinte, es würde einiges fehlen. Glücklicherweise hatte ich nach den Erfahrungen bei der Schulbehörde vorsichtshalber alles eingepackt, was ich beim Erstantrag gebraucht hatte und so konnte ich alles vorlegen. Dann suchte man unsere Akte -- Fehlanzeige. Also wurde eine neue Akte angelegt. Anschließend teilte man mir mit, ich müsse am Nachmittag wiederkommen, um die Bestätigung, dass mein Antrag eingegangen sei, zu erhalten und zur Examensbehörde zu bringen.
Völlig geschafft rief ich meine Schwägerin an und ging mit ihr zum Mittagessen, eigentlich ein gutes Lokal, am Nachbartisch saß der Regierungssprecher. Plötzlich gab es Unruhe unter den Kellnern, einer trat nach etwas, dieses Etwas traf mein Bein. Als ich nach unten schaute, sah ich zwischen meinem Bein, dem Tischbein und meiner Krücke eine Ratte -- man kann auch mit einem angeknacksten Bein kreischend in die Höhe springen. Das Tier wurde dann irgendwie nach außen gejagt, die anwesenden Kenianer kümmerte das wenig.
Anschließend ging es zurück ins Ministerium. Dort hatte man inzwischen alles im Griff, ich bekam meine Bestätigung, allerdings lag die Examensbehörde weit weg und war vor Büroschluss nur mit Taxi zu erreichen. Wir teilten uns die Taxikosten zu mehreren. Dort machte man mir aus Mitleid eine Kopie, da man einsah, dass ich mit meinem Bein nicht mehr in einen Copy-Shop laufen konnte -- und unsere Mädchen konnten registriert werden.
Ich fuhr zurück in den Stadtteil, in dem die überlandbusse abfahren, buchte ein Ticket, bestieg abends um 9.30 Uhr den Bus und wurde morgens um 7.00 Uhr fast vor meiner Haustüre (ich wohne in der Nähe der Hauptstraße) abgesetzt. Danach wollte ich nur noch eins -- duschen und schlafen.


7. Kalenderwoche von Andreas

Unterricht No 2

Eigentlich sollte es seit Beginn des Schuljahres, seit Anfang Januar, meine Samstagsaufgabe sein - Computerunterricht in der Form 4, der Abschlussklasse zu geben.
Computer sind ausreichend vorhanden. Sie sind eine Spende einer Realschule aus Deutschland, die es geschafft haben, trotz aller Widrigkeiten, die Geräte per Luftfracht nach Kenia zu bewegen. Dort wurden sie dann von Inge mit ihrer unnachahmlichen Art, wie immer ohne einen "Bob" zu zahlen, aus der Höhle des Schmiergeldlöwen entführt.
Diese Geräte sind zwar für deutsche Verhältnisse nicht mehr zeitgemäß, erfüllen hier aber gut ihren Zweck. Mit ihnen kann man hier Computerkenntnisse Schülerinnen vermitteln, die noch nie ein Keyboard bedient haben und die sich über den Namen "Maus" für das Plastikding mit Schnur köstlich amüsieren.
Aber auch einfache Geräte funktionieren selbst hier in Kenia nicht ohne Strom. Eine etwas spät bezahlte Rechnung an die Stromgesellschaft führte dazu, dass die Schule einfach vom Netz genommen wurde. Normaler ist das durchaus unüblich, warten die Stromversorger doch sonst noch die nächsten zwei Rechnungen ab, bevor etwas unternommen wird. Und die Schule bezahlt immer ansonsten pünktlich. Die verspätetet bezahlte Rechnung, über 500 Ksh (5 Euro), war ein Ergebnis von Inges Deutschlandaufenthalt und dem darauf folgenden Beinbruch. Hinzu kamen noch die Feiertage über Weihnachten, sodass Kassim eines Tages kurz vor Silvester meldete: "There is no power in school!"
Die Rechnung war inzwischen längst beglichen. Es galt nun das Unternehmen dazu zu bewegen, den Vorgang rückgängig zu machen. Aber so schnell sie auch beim Abschalten des Stroms waren, so lange dauerte es dann, ihn wieder anzuschalten. Die nächste Rechnung wurde eine der niedrigsten in der Geschichte der Diani Maendeleo Academy. Es half auch nicht, sich auf Inges guten Kontakten zu einem Mitarbeiter zu verlassen. Der Strom blieb bis Anfang Februar weg.
Als Strom plötzlich wieder zur Verfügung stand, brach erstmal Hektik aus. Für den Unterricht mussten ausreichend Computer zum Laufen gebracht werden. Sie waren jetzt längere Zeit nicht in Betrieb und die Elektronik kann mit den tropischen Bedingungen nicht sonderlich gut umgehen. Ein voller Tag angestrengter Arbeit war nötig, um die Rechner zu überprüfen, zusammenzustellen und die notwendigen Programme zu installieren. Gegen Abend konnte ich sie mit Donat, unserem treuen Schulbusfahrer, noch schnell zur Schule fahren. Ein Aufstellen war jetzt nicht mehr möglich, die Schülerinnen warteten schon und wollten mit dem Bus nach Hause.
Am Samstag, dem 07.02., war es dann endlich soweit. Ich schwang mich morgens auf mein immer noch blinkendes neues Fahrrad und fuhr unter Jambo, Jambo Rufen von den Kindern Ukundas und vielfachem Schmunzeln der Erwachsenen in Richtung Schule. Ein Mzungu auf einem Fahrrad und dann noch mit solch einem Rad!
Die Computer waren schnell aufgebaut und haben den Transport am Abend auch gut überstanden. Viel Zeit, meinen Körper nach der Radtour und dem Computeraufbau herunterzukühlen, blieb nicht. Erwartungsfrohe Mädchenaugen schauten schüchtern zur Tür herein und wollten unbedingt gleich loslegen. Sie waren kaum zu bremsen und wissbegierig, wie diese Kästen denn funktionieren, von denen sie schon gehört, die sie aber noch nie vorher berührt haben. Input, Output, Keyboard, CPU, Desktop, ein Plastikding mit Schnur, das Maus heißt. sie sogen alles interessiert in sich auf und waren ungeduldig, endlich den Knopf drücken zu dürfen, welcher ihren Computer zum Laufen bringt.
Es war eine schöne und interessante Erfahrung, wissenshungrigen Schülerinnen bei den ersten Gehversuchen am PC schützend und helfend zur Seite zu stehen, auch wenn die Zeit letztendlich für nicht viel mehr als für einfache übungen im Umgang mit der Maus reichte. Angenehm berührte mich dann auch das abschließende "Thank you teacher!", das nicht eingelernt daher kam, sondern überzeugend wirkte.
Nach den beiden Stunden setzte ich mich wieder auf mein Rad und fuhr zurück nach Ukunda. Diesmal, anders als bei meiner Ankunft in der Schule, wurde ich auch von den Schülerinnen der Maendeleo Academy bemerkt - es war gerade Pause. Das Verhalten aber war das Gleiche wie in Ukunda. Nachdem ich entdeckt wurde, strebten alle zum Fenster, kicherten, riefen "Good bye" und hielten sich prusteten die Hand vor den Mund. Ich bin weiß Gott nicht der einzige, der mit einem solchen Fahrrad unterwegs ist, aber wohl der einzige Weiße. Ein Mzungu fährt in einem Auto oder zumindest mit einem 21-Gang Mountainbike. Schön zu wissen, dass ich das Klischee nicht erfülle.


5. Kalenderwoche von Jana Biemelt

Maismehl - ein knappes Gut

Gerade in Kenia angekommen und noch staunend über die unterschiedlichsten und kuriosesten Dinge, die einem hier begegnen, unterhalte ich mich mit Inge Langefeld über den geplanten Verlauf meines Praktikums, als Dr. Philip, ein ortsansässiger Arzt, des Weges kommt. Dieser erzählt uns, in eher nüchternem Ton, dass es in ganz Ukunda kein Maismehl mehr gibt.
Zunächst halte ich das für nichts Ungewöhnliches. Den Ernst der Lage erkenne ich erst, als Inge Langefeld mich sofort in den Supermarkt nebenan schickt, um zu schauen, ob es dort noch Maismehl zu kaufen gibt. Dies ist allerdings nicht der Fall und sie muss daraufhin kurzfristig das Mittagessen der Schülerinnen in ein Reisgericht ändern.
In den nächsten Tagen sehe ich Menschenmassen vor dem zentralen Maismehldepot in Ukunda stehen, die alle versuchen, zumindest einen kleinen Vorrat von dem knappen Gut zu erhalten. Verschärfend kommt hinzu, dass man Maismehl nur bekommt, wenn man mindestens zwei Säcke à 24 kg kauft, was für eine einzelne Familie kaum finanzierbar ist.
Bis zum heutigen Tage hat sich die Situation nicht wesentlich entspannt, es gibt zwar manchmal wieder Maismehl in Ukunda zu kaufen, allerdings mit einer Preissteigerung von 20%, was in etwa 20 Euro Cent entspricht (nachdem der Preis seit Anfang 2008 bereits um 30% gestiegen ist). Dieser Betrag mag für europäische Verhältnisse verschwindend klein sein, betrachtet man aber die finanziellen Möglichkeiten der kenianischen Bevölkerung und bedenkt, dass Maismehl das Grundnahrungsmittel Nr.1 in Kenia ist, grenzt die Maismehlknappheit schon an eine Katastrophe.
Es ist zu vermuten, dass sich die Lage erst wieder nach der nächsten Ernte im September entspannt. Das trifft natürlich auch unsere Schule. Gestern haben wir jemanden losgeschickt, der sich einen ganzen Tag in der Schlange am Depot angestellt hat - erfolglos. Also heißt es weiter nach teurem Ersatz suchen.


4. Kalenderwoche von Andreas

Der Jahresabschluss

Jetzt sinken die Temperaturen langsam auf ein erträgliches Maß. Auf der Veranda meiner Praktikantenwohnung weht noch der Rest des einschlafenden Passatwindes. Am pechschwarzen Himmel blinken hell die Sterne. Aus dem drei Meter entfernten Nachbarhaus vor mir dringen laut die Geräusche einer afrikanischen Familie, die mit ich weiß nicht wie vielen Personen und mit einem Fernseher ihre Wohnung bewohnt. Hinter mir erklingt der sich ständig monoton wiederholende Gebetsgesang in einem Andachtsraum, der gelegentlich in Schluchzen und Jammern übergeht.
Plötzlich alles schwarz und still. Ein Stromausfall macht nicht nur alles stockdunkel, sondern stoppt auch plötzlich die Geräusche. Der Gesang hört augenblicklich auf. Einzelne Matatus (Sammeltaxis) auf der Straße und die Familie, die in leiser Betriebsamkeit nach einer Kerze sucht, sind das Einzige, was ich noch höre. Das kommt nach diesem Tag wie gerufen - ein Moment der Ruhe und der Besinnung ...
. Der Tag begann um halb sieben mit einem Kaffee, den kühlen Morgen und eine Zigarette, zum langsamen Hochfahren des Körpers, genießend, im Korbstuhl auf der Veranda. Ab sieben war dann auch der Laptop dabei. Wir mussten heute fertig werden!
Seit zwei Tagen arbeiteten wir schon an den Dankschreiben und Spendenquittungen für alle, die mit einer Geld-, Sachspende oder einer Patenschaft die Entwicklung der Schule fördern. Die letzten Tage waren wir damit beschäftigt, alles zu sortieren, die Spendenquittungen auszustellen und die Danksagungsschreiben zu formulieren. Heute musste nur noch alles ausgedruckt werden und eingetütet zur Gabi gebracht werden, die alles mit nach Deutschland nehmen würde. . Gabi hat die Briefe immer noch nicht! .
Bei Kaffee und Zigarette auf der Veranda hatte ich die Dateien soweit fertig, dass ich mit Hilfe von Inge und ihrem kolossalen Gedächtnis eine Stunde lang alles noch mal durchgehen konnte - Inge auf ihrem Sofa, das eingegipste Bein hochgelegt, denkend, grübelnd und hoch konzentriert. Zwischendurch wurde Donat mit allen möglichen Aufgaben betraut - er ist ein Schatz, zwar manchmal Mr. Vorsichtig aber immer Mr. Zuverlässig. Dann endlich, der Moment, den man normalerweise als Abschluss der Arbeit herbei sehnt - der Befehl an den Computer: "Print!". Aber: Hightech in den Tropen neigt gelegentlich zu totaler Arbeitsverweigerung!
Wir brauchten eine weitere Stunde, um einzusehen, dass wir Streikbrecher einsetzen mussten, wollten wir alles noch fertig stellen. Streikbrecher sind teuer und wenig zuverlässig. Inge quälte sich mühsam mit ihren Krücken in den Bus und Donat fuhr uns in Richtung Beach. Bei Jeff sollte ein Ausdruck nur 10 KSH kosten. Nach drei Ausdrucken war die Patrone leer und keine neue zur Hand. Wir wussten, jetzt wird es deutlich teurer, denn in den anderen Cybercafes verlangen sie mittlerweile 20 KSH pro Seite.
Zunächst mussten wir aber zur Schule. Dort wartete seit einer Stunde eine Mutter, die zwar für den Morgen bestellt war, aber erst um 12.00 Uhr erschien. Ein ernstes Gespräch mit der Mutter, dann noch mit Mdm. Theresa, einer Lehrerin der Maendeleo Academy - Inges Bein schwoll zunehmend an und die Schmerzen nahmen zu.
Von der Schule zurück nach Ukunda zu den teuren Streikbrechern, die in unserem Lieblingscybercafe nach 30 Seiten die Fronten wechselten und ihren Dienst aufgaben. Inge postierte sich im African Pot und funktionierte als Denk- und Schaltzentrale. Im Cybercafe rotierten die Angestellten, um den anderen Drucker zu überreden, wieder zu arbeiten. Ohne Erfolg!
An dieser Stelle noch ein wichtiger Zusatz zur Einsteinschen Relativitätstheorie: Im Cybercafe vergeht die Zeit langsamer, als mit dickem eingegipsten Fuß vor dem Cybercafe. Während Inge ihre Schmerzen kaum noch kontrollieren konnte, versuchte ich meine, in den letzten vier Wochen versuchte Angewöhnung an die afrikanische Gelassenheit aufzugeben und auf die Tube zu drücken. Donat wurde hin und her geschickt, um nachzufragen, ob ich ein Problem hätte, und mein Handy klingelte, wo ich bleibe . Der Tag war noch lange nicht zu Ende!
Nachdem auch im dritten Cybercafe kein Erfolg abzusehen war, hier waren die Computer maßlos überlastet, beschlossen wir, unser Glück bei Dennis zu versuchen und ihn zu überreden, das alles auf seinen Druckern auszudrucken. Dennis, ein deutscher Unternehmer, der sich an der Beach ein Safari-Unternehmen (DM Tours) trotz aller Widrigkeiten aufgebaut hat, half schon oft der Maendeleo Academy und auch diesmal war auf ihn Verlass. Bis auf wenige Seiten, hatten wir alles zusammen zum Eintüten. Es war wie verhext - aber auch bei Dennis versagten die Drucker nach einer Weile.
Gegen 20.00 Uhr endlich die Dusche. Mit Gabi war alles besprochen, sie bekommt morgen um neun die Briefe, um sie nach Deutschland zu transportieren und - die Briefe waren fertig!
. Der Stromausfall ist vorbei. Ukunda lärmt wieder. Der Fernseher strahlt irgendwelche Filme für die Familie aus. Das Schwitzen ist vorbei. Von der eiskalten Bierflasche laufen dicke Tropfen Kondenswasser in Bächen auf mein T-Shirt - eine leichte Briese, die schwarze Nacht, die hell funkelnden Sterne . Es gibt keinen Platz auf Erden, an dem ich diesen Tag lieber hätte verbringen mögen!