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Schüleraufstände in Kenia

"Lehrer schlagen Alarm wegen gewalttätiger Streiks", so titelte die Daily Nation am 14. Juli 2008 auf ihrer Frontseite.

In den letzten Monaten kam es an kenianischen Schulen, hauptsächlich an Secondary Schools, wie die Diani Maendeleo Academy eine ist, immer wieder zu Aufständen der Lernenden.

Viele Schüler der Abschlussklassen weigerten sich die MOCK-Prüfungen, die als Test für die landesweiten Abschlussexamen im Oktober/November gesehen werden, zu schreiben. Diverse Schulräume gingen in Flammen auf und Mobiliar wurde zerstört - Disziplin schien es kaum mehr zu geben. Viele Schulen werden auch heute, einen Monat später, noch bestreikt. In allen unseren Nachbarschulen sind ebenfalls Probleme aufgetreten und die Prüfungen wurden teilweise bestreikt. Wir waren in der glücklichen Situation, dass unsere Schülerinnen sich zwar zunächst auch weigerten und forderten, die Direktorin zu sprechen, sich dann aber von ihr überzeugen ließen, die Prüfung zu schreiben.

Die Ursachen, die zu diesem Verhalten führen sind wohl vielfältig: Drogenmissbrauch ist schon unter Jugendlichen ein großes Problem. Zudem scheinen viele Schüler mit der Diskrepanz zwischen den traditionellen Lebensstilen und westlichen Einflüssen nicht zurecht zu kommen. Die Schüler waren zu Beginn des Jahres auch mit den massiven gewalttätigen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit den Wahlen konfrontiert. Die Aversionen, die verschiedene Stämme damals gegeneinander entwickelt haben, sind keinesfalls ausgeräumt und machen sich natürlich auch bei Jugendlichen bemerkbar. Hinzu kommen finanzielle Engpässe, die es den Schulen erschweren Beratungsstellen oder Ähnliches einzurichten.

Besondere Schwierigkeiten ergeben sich aber auch aus dem Erziehungsstil der Eltern und den juristischen Fesseln der Lehrer. Körperliche Strafen und extrem autoritäres Verhalten der Eltern sind immer noch die Basis der Erziehung in vielen Familien. Die Eltern der meisten Schüler sind damit beschäftigt ihre Existenz zu sichern und können oder wollen nicht genügend Zeit für die Erziehung ihrer Kinder aufwenden. Die Jugendlichen sind so dem ständigen Wechselbad zwischen einem überaus autoritären Erziehungsstil und laissez-faire ausgesetzt, ihnen fehlt eine klare Linie und Orientierung. Das Ergebnis ist, dass sie sich auch in der Schule nicht an Regeln halten können.

In den Schulen stellt sich dann die Frage der Rolle der Lehrer. Bis vor Kurzem war es durchaus üblich, dass Schüler auch mit dem Stock massiv verprügelt wurden, nun können kenianische Gesetze jedoch so interpretiert werden, dass Schüler überhaupt nicht mehr bestraft werden dürfen, was zu einer großen Verunsicherung bei den Lehrern führt. So ist beispielsweise im vergangenen Jahr ein Schüler von der Schule suspendiert worden, weil er dort mit Drogen gehandelt hat, worauf er mittels Gerichtsurteil die Schule gezwungen hat, ihn wieder aufzunehmen. Diesen juristischen Gegebenheiten stehen knappe finanzielle Mittel an den Schule gegenüber, die es praktisch unmöglich machen, Beratungsdienste einzurichten. Das Wissen, dass sie gegebenenfalls vor Gericht gehen können, stärkt die Schüler zusätzlich in ihrem Verhalten.

Es scheint nur eine Möglichkeit zu geben, den Lernenden zu vermitteln, dass Fehlverhalten nicht toleriert wird, nämlich in dem sie vom Unterricht suspendiert werden. Jedoch ist das offensichtlich eine Scheinlösung, denn durch Unterrichtsausfälle und schlechte Abschlüsse wird die Situation der jungen Menschen noch zusätzlich verschlechtert.

In vielen Schulen gibt es Beschlüsse der Eltern, die den Lehrern das Recht geben zu schlagen. Auch in unserer Schule war dies Thema und von unseren Eltern gewünscht. Wir haben abgelehnt, gehen aber durchaus das Risiko ein, Schülerinnen Konsequenzen ihres Verhaltens spüren zu lassen. Beispielsweise lassen wir sie Aufsätze über ihr Fehlverhalten schreiben oder Arbeiten auf dem Schulgrundstück verrichten oder sie werden nach Hause geschickt, um mit den Eltern wieder zu kommen.

Durch die Ausschreitungen wird deutlich, dass Kenia eine schwierige Zukunft bevorsteht, wenn sich in der Situation der Schulen nicht bald etwas verändert, denn es wachsen Jugendliche heran, die der Annahme sind, dass Gewalt eine probate Möglichkeit ist, um etwas zu erreichen und Probleme zu lösen.