Tagebuch 2010
aktuelles Tagebuch
Archiv


47. Kalenderwoche von Ingeborg

Selbstjustiz

In der ersten Teambesprechung nach meiner Rückkehr aus Deutschland trug eine Klassenlehrerin ein Problem vor, dass mich ziemlich aus der Fassung brachte. Sie bat die anderen Lehrer um Nachsicht mit einer Schülerin, falls diese unaufmerksam sei, Hausaufgaben nicht mache  o. ä.. Der Bruder sei vor einigen Tagen ermordet worden und dass Mädchen sei dabei gewesen und jetzt verständlicherweise recht durcheinander. Erschüttert fragte ich: Und die Mörder, was ist mit denen? Die lapidare Antwort: Die sind da. Da - wie? Was ist mit Polizei? Was mit Anzeige? Offensichtlich nichts, sagt man mir.

Das Mädchen kommt aus einer sehr armen Familie mit einer alleinerziehenden Mutter, die offensichtlich überfordert ist. Der Bruder wurde von den Dorfbewohnern des Diebstahls beschuldigt (ob zu Recht oder nicht - keine Ahnung) und umgebracht.

Diese Form der Selbstjustiz ist in Kenia leider immer noch weit verbreitet. Oft werden Menschen auch der Hexerei bezichtigt und brutal ermordet. Die Polizei ist machtlos, entweder wird sie nicht informiert oder sie stößt überall auf Mauern des Schweigens. Der Glaube an Hexerei ist tief verwurzelt und mit Argumenten nicht zu bekämpfen, selbst wenn man mit gebildeten Menschen spricht. In diesem Bereich hat Kenia noch einen weiten Weg zu gehen.

Für mich ist der Vorfall Anlass, über die Einstellung einer Sozialarbeiterin nachzudenken, die die Familien unserer Schülerinnen betreut. Dank der großzügigen Spende einer Partnerschule wird dies wohl möglich sein.


46. Kalenderwoche von Ingeborg

Löcher flicken

Ich war auf dem Weg zu einer Besprechung. Unterwegs fiel mir auf, dass überall Polizei herumstand. Dann fiel mir auf, dass die Straße repariert wurde: Wunderbar, dachte ich, die Schlaglöcher sind mal wieder riesig. Trotzdem, wie kommen wir zu der Ehre? Des Rätsels Lösung ließ nicht lange auf sich warten. Ein Teilnehmer der Besprechung rief mich an, er ist Landratsmitglied. Leider könne er nicht kommen, Präsident Kibaki sei da und habe ein Treffen mit den örtlichen Politikern.

Aha, deshalb wurden die Straßen auf denen der Präsident fährt, repariert, die anderen natürlich nicht. Leider halten diese Reparaturen meist nur bis zum nächsten heftigen Regen, aber besser als nichts.


45. Kalenderwoche von Ingeborg

Dollars

Ich stelle immer wieder fest, wie wichtig es ist, Freunde und Unterstützer in Deutschland zu haben.

Während eines Rotary Meetings erhielt ich einen Anruf von einem Freund, ich möge doch zur Polizei kommen. Ich versprach, dies nach dem Treffen zu tun. Dort angekommen, wurden der Freund und ich in das Büro des Polizeichefs gebeten: Mir gingen fast die Augen über: Der ganze Tisch war voller 100 $ Scheine - in allen Stadien der Entwicklung - Falschgeld, viel Falschgeld. Alles roch irgendwie nach Benzin.

Fast schon verzweifelt wies der Polizeichef auf Schüsseln Behälter, Chemikalien usw. und meinte: Es kann doch nicht sein, dass jemand nicht merkt, wenn so was im eigenen Haus produziert wird.

Eine Deutsche hatte sich wohl von ihrem kenianischen Freund erst in finanzielle Schwierigkeiten und dann mindestens in eine "Ich stecke den Kopf in den Sand" Haltung hinein treiben lassen. Nun saß sie völlig fertig in einer Ecke und konnte nicht verstehen, wie die Polizei in ihr Haus gekommen war. Gemeinsam mit meinem Freund überlegten wir was zu tun sei und baten unsere Rotary Geschäftsführerin, die Anwältin ist, um Unterstützung. Diese konnte eine Freilassung auf Kaution erwirken.

Leider verlieren viele Menschen hier den Boden unter den Füßen und lassen sich auf Dinge ein, die Ihnen in Deutschland nie eingefallen währen. Damit einher gehen eine zunehmende Distanz von zu Hause und ein Verlust der Wurzeln.

Wie gut, dass ich Freunde habe!!!



44. Kalenderwoche von Ingeborg

Kein Zweifel - ich bin wieder in Kenia

Nach einem vierwöchigen Deutschlandaufenthalt flog ich wieder nach Kenia zurück, mit Air France und Kenyan Airways. Beim Einchecken in Düsseldorf wurde auf die Frage nach meinem Gepäck noch versichert: Kein Problem, wir schicken es direkt nach Mombasa.

Bei der Ankunft in Nairobi, hatte ich noch 60 Minuten Zeit, meinen Anschlussflug zu erreichen, leider auch eine lange Warteschlange bei der Einreisekontrolle. Ich fragte einen Mitarbeiter, ob ich evtl. vorrangig abgefertigt werden könne, da ich in ein anderes Gebäude müsse. Er wollte fragen, aber es passierte nichts, ich hatte ihm ja auch kein Geld gegeben.

Nach zehn Minuten beschloss ich, mir selbst zu helfen und fragte in der Schlange, ob man mich vorbeilassen würde. Man wollte nicht, also versuchte ich es mit der Nachbarschlange und fragte dort jeden einzelnen. Nach zwei Minuten stand ich vorne - nette Menschen gibt es doch immer wieder.

Der Beamte kontrollierte meine Papiere mit entnervender Langsamkeit und meinte dann, ich habe bestimmt Geld mitgebracht, ich solle ihm etwas abgeben. Ich hatte es zu eilig, um mich zu streiten und verwies darauf, dass man Geld auch von Bank zu Bank schicken könne. Diese Bemerkung ließ ihn etwas schneller werden und auch keine weitere Fragen nach Geld mehr stellen.

Endlich war ich draußen und eilte zum anderen Flughafengebäude. Dort fragte ich zur Sicherheit am Schalter der Fluggesellschaft nach meinem Gepäck: Kein Problem, es geht direkt nach Mombasa, ich bräuchte nur einzusteigen.

Nun ja, das war ein Irrtum. Ich kam in Mombasa an, mein Gepäck leider nicht. Auf meine Frage antwortete mir die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft, ich hätte es persönlich in Nairobi abholen müssen. Und warum hatte man mir das am Schalter in Nairobi nicht gesagt?! Auf meine Frage, was nun geschehe, meinte die Dame, sie werde eine Akte anlegen - wie, eine Akte, und wie komme ich an mein Gepäck? Und wer erstattet mir eventuelle Schäden? Die Dame meinte, mein Gepäck werde schon wieder auftauchen und Erstattungen gebe es bei Ihrer Fluggesellschaft nicht.

Da es schon nach Mitternacht war, beschloss ich, erst mal nach Hause zu fahren. An der Fähre waren wir die ersten. Als wir auf die Fähre fuhren, spannte man vor uns ein dünnes Seil. Ich meinte scherzhaft, dass solle uns wohl davor bewahren, zu weit zu fahren und ins Wasser zu fallen. Der Taxifahrer aber erzählte, dass das die Konsequenz aus einem Vorfall in der letzte Woche sei. Ein Lastwagen konnte nicht mehr bremsen und liegt noch hier im Wasser. Spätestens jetzt war klar: Ich war wieder in Kenia.

PS. Mein Gepäck kam am nächsten Tag.



31. Kalenderwoche von Andreas

Das Referendum

Es ist besser wir probieren was Neues, als dass wir mit dem Alten weitermachen. Die neue Verfassung ist nicht perfekt, aber besser als die alte.

Ich sah heute viele Menschen mit dem gefärbten kleinen Finger als Zeichen dafür, dass sie schon abgestimmt haben. Und alle, mit denen ich sprach, versicherten mir mit mehr oder weniger den gleichen Worten, dass sie sich für die neue Verfassung entschieden haben.

Die neue Verfassung lässt die Menschen nicht jubeln, wissen sie doch um die Schwächen des zarten Pflänzchens namens Demokratie in diesem Land. Sie wissen auch, dass ihr Leben und ihr täglicher Kampf ums Überleben nicht von heute auf morgen einfacher werden.

Aber sie hoffen auf politische Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung.

Kenia wird zum Präsidialsystem zurückkehren, allerdings werden die Befugnisse und die Macht des Präsidenten beschnitten. Nach zwei Amtszeiten soll Schluss sein. Wir wollen hoffen, dass das der jeweilige Präsident auch so sieht.

Die Korruption und Vetternwirtschaft soll dadurch eingeschränkt werden, dass sämtliche Personalentscheidungen des Präsidenten durch das Parlament bestätigt werden müssen. Das Parlament soll föderaler zusammengesetzt werden. Alles keine Selbstverständlichkeiten in einem afrikanischen Land.

Eine Bodenreform, die die Größe des Landes, das jemand besitzt darf, beschränkt und Veränderungen beim Erwerb von Ländereien wurden im Parlament diskutiert und in die neue Verfassung aufgenommen.

Radikale religiöse Gruppen laufen vor allem dagegen Sturm, dass die Rechte der Frauen gestärkt werden sollen. So soll das Recht auf Grundbesitz für Frauen in die Verfassung aufgenommen und Abtreibung unter bestimmten Bedingungen legalisiert werden. Ein großer Streitpunkt ist auch die Abschaffung der islamischen Gerichtsbarkeit.

Wollen wir hoffen, dass die Grünen (Befürworter) die Oberhand über die Roten (Gegner) behalten und vor allem, dass es nach der Abstimmung zu keinen Gewaltausbrüchen kommt.



30. Kalenderwoche von Andreas

Rama

Es traf uns wie ein Schlag. Der Nachbar von gegenüber kam aus seinem Haus, ging auf unsere Terasse zu und sagte nur einen kurzen Satz, den wir nicht begriffen. Die Erinnerung an diesen Abend werden uns lange nicht mehr loslassen.

Die Nachricht von Ramas Unfall verbreitete sich in Ukunda wie ein Lauffeuer. In Windeseile versammelten sich Menschen vor seinem Haus und warteten unter Wehklagen auf die Ankunft des Leichnams aus dem Krankenhaus. Sie fielen sich in die Arme, weinten und jammerten, aus ihren Augen sprach die Fassungslosigkeit.

Für uns war die Art der offenen und lauten Trauer fremd und unsere Befürchtung war, dass wir etwas falsch machen könnten. Aber wir waren uns einig. Das falscheste war in diesem Moment, sich zurückzuziehen und die Menschen mit ihrem Schmerz allein zu lassen. Immer wieder schwoll die Schreie,das Wehklagen und Weinen an, immer dann wenn weitere Menschen eintrafen.

So gut es ging hielten wir uns abseits, wussten aber, dass man uns auch in der dunklen Nacht noch als Mzungus wahrnehmen und erkennen würde. Wir standen kaum sichtbar abseits im Schatten und waren doch Teil dieser Gemeinschaft, die uns so fremd und unwirklich erschien.

Es sollte Stunden dauern bis der Pickup mit dem leblosen Körper auf der Lunga Lunga Road erschien. Eine Lichterkette von vielen Autos kam langsam auf der Hauptstraße von Ukunda auf uns zu. Uns erreichte die Nachricht, dass der Familienrat beschlossen hatte, Rama nicht in seinem eigenen Haus, sondern in dem seiner Eltern aufzubahren. Aber er bog trotzdem vorher ab und fuhr die Abfahrt zu seinem Haus und zu den wartenden Menschen herunter.

Auf dem Rand der Ladefläche des Pickups saßen dichtgedrängt Männer, die den Transport begleiteten. Als er vor dem Haus anhielt strömten die anwesenden Männer an den Pickup, um den Leichnam zu sehen. Inge und mir wurde dann eine große Ehre zu teil. Wir wurden gedrängt, zu dem Wagen zu gehen und einen letzten Blick auf den, in ein Leichentuch gewickelten Körper zu werfen. Auch wenn wir gern darauf verzichtet hätten, wir hatten keine Wahl. Der Mann, der uns dorthin drängte, befahl zu allem Überfluss, das vom Leichentuch bedeckte Gesicht zu entblößen. Diesen letzte Blick auf den vom Unfall entstellten Ramas werde ich so schnell nicht vergessen.

Wie groß die Ehre war, wussten wir erst später einzuschätzen, als wir erfuhren, dass es Frauen streng verboten ist den Leichnam nochmal zu sehen. Selbst bei der Beerdigung durften die Frauen sich nur abseits versammeln. Und Inge ist zwar weiß, aber eine Frau.

Moslems werden möglichst umgehend beerdigt. Am nächsten Tag sollte die Zeremonie stattfinden. Nach Ort und Zeit hatten wir uns erkundigt und zogen schließlich los, immer dem Tross der tausenden Menschen folgend. Ganz Ukunda schien auf den Beinen zu sein und wir waren die einzigen Mzungus weit und breit. Das eigenartige Gefühl des letzten Abends, nicht zu wissen, wie man sich benimmt, stieg wieder in uns hoch.

Schließlich erreichten wir einen überfüllten Platz. Bei näherer Betrachtung bemerkten wir, dass wir nur von Frauen umzingelt waren. Ich war der einzige Mann auf dem Platz. Glückerlicherweise erkannte Inge eine der Frauen und bat sie, uns zu helfen. Sie führte uns zu einem, aus allen Nähten platzenden Haus. Höflich, aber bestimmt bat sie uns, ihr hinein zu folgen.

Die Luft war zum Schneiden. Es war stickig und heiß. Auf dem Boden saßen dichtgedrängt Frauen, die sich vor den Füßen der hinein- und herausdrängen Menschen zu schützen versuchten. Die Frauen vor uns zogen ihre Schuhe aus. Wir mussten darauf verzichten, denn wir trugen keine Flipflops und es war einfach nicht möglich sich bei diesem Gedränge zu bücken.

Mühsam erreichten wir den Nachbarraum und schließlich Fatuma, Ramas Frau. Die liebe Frau schien abwesend und ließ die Prozedur der Beileidsbekundungen über sich ergehen. Und doch bemerkten wir ein leises Lächeln, als wir an der Reihe waren.

Der Weg durch das Haus nach draußen war nicht weniger beschwerlich. Der Körper versuchte, sich vor der Hitze zu schützen. Und doch war die Erleichterung groß, es hinter sich zu haben. Die frische Luft vor der Tür half schließlich, sich wieder zu sammeln. Auch wenn ich der einzige Mann in dem Haus war, so war ich mir doch sicher, das Richtige getan zu haben. Einem Mzungu verzeiht man Fehler problemlos, wenn man merkt, er meint es gut.

Die Männer haben in der Zwischenzeit die Beerdigung vorgenommen. Mir war der Gang zu Fatuma lieber.


22. Kalenderwoche von Inge

Krankenversicherung

Vor einigen Jahren war es an der Zeit, unsere Arbeitsverträge zu überarbeiten. Um sicher zu gehen, dass wir nichts falsch machen, zogen wir den Personalmanager einer Hotelgruppe zu Rate. Sein Entwurf verpflichtete die Mitarbeiter, sich selbst um Renten- und Krankenversicherung zu kümmern. Ich fand das gut, denn damals las man in den Zeitungen nur Horrormeldungen über die Versicherungssysteme in Kenia. Mal ging es um Geld, dass sich gerade mal wieder ein Manager in die Taschen gesteckt hatte oder jemand musste jahrelang kämpfen, um in den Genuss seiner Rentenversicherungsansprüche zu kommen.

Als später dann Computer in die Büros der Rentenversicherung Einzug hielten, wurde die Sache seriöser und wir versicherten unsere Mitarbeiter. (ca. 4 Euro im Monat, zwar besser als nichts, aber wohin die Zinsen gehen, ist mir bis heute unklar).

Von der Krankenversicherung dagegen hörte man nichts, wohl aber von Horrorrechnungen in Krankenhäusern und Patienten, die nicht entlassen wurden, weil sie das Geld für ihre Behandlung nicht zahlen konnten. Im letzten Jahr kam dann auch dort Bewegung in die Angelegenheit. Nun gibt es Versichertenkarten, Angehörige werden mitversichert und Krankenhäuser akzeptieren die Karten sogar.

Wir hatten zwar Verträge, die die Mitarbeiter verpflichteten, sich selbst zu versichern, aber inzwischen wurden auch die Gesetze geändert. Arbeitgeber wurden dadurch verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu versichern. Die Krankenversicherung wurde halbstaatlich. Leider war diese Gesetzesänderung irgendwie an mir vorbei gegangen.

Vor einem Jahr tauchten nun Mitarbeiter der Krankenversicherung NHIF in der Schule auf und beschlagnahmten die Personalunterlagen. Einige Tage später erhielt ich einen Anruf des Managers hier in Ukunda, ich möge vorbeikommen. Dort angekommen erhielt ich ein rückdatiertes Schreiben, ich möge innerhalb von einer Woche (die drei Tage später ablief) ca. 6000 Euro zahlen - Nachzahlung und Strafgebühren. Ich versuchte dem Herrn die Angelegenheit zu erklären, vergeblich.

Also beschloss ich, eine Anwältin zu Rate zu ziehen, die meinte, das sei kein Problem. Ich solle anfangen, laufende Zahlungen zu leisten und in der Zentrale in Nairobi anrufen und einen Erlass der Summe beantragen, die ohnehin nur teilweise rechtmäßig sei. Der Anruf in Nairobi verlief sehr gut, ich solle den Sachverhalt schriftlich darstellen, dem Büro hier vor Ort eine Kopie geben und anfangen, ab sofort die laufenden Kosten zu zahlen. So weit so gut, leider weigerte man sich in Ukunda, die Kopie des Schreibens oder unseren Scheck entgegenzunehmen. Meine Mails wurden nicht beantwortet. Unser Buchhalter meinte: "Gib mir 400 Euro, dann regele ich das, aber sowas willst du ja nicht." Damit hatte er natürlich Recht.

Nach einer Weile hatte ich zwar noch keine Antwort aus Nairobi, aber die Androhung einer Strafverfolgung auf dem Tisch. Ich rief also wieder in Nairobi an, unser Schreiben war unauffindbar, wie das hier so ist. Man gab mir den Rat, es erneut zu schicken, die Kopie dem örtlichen Büro per Einschreiben zuzusenden (300 Meter) und im übrigen die Angelegenheit im Büro in Mombasa weiter voranzutreiben.

Mombasa war ganz anders, hilfreiche Mitarbeiter, ein zuvorkommender Manager, alles schien in besten Händen - aber weit gefehlt. Bevor ich im Oktober nach Deutschland reiste, informierte ich den Manager hier in Ukunda, dass ich in Mombasa betreut werde und die Angelegenheit mit den Rückständen weiter verfolgen würde, sobald ich drei Wochen später zurück sei.

Als ich zurückkam, informierte mich unser Schulleiter Mr. Collins, dass einen Tag nach meiner Abreise, also direkt nach dem Erhalt der Information, dass ich drei Wochen außer Landes sei, eine allerletzte Mahnung bei ihm abgegeben wurde - Frist eine Woche. Er habe mit vielen Bitten erreicht, dass die Frist bis zum Tage meiner Rückkehr verlängert wurde und erst mal nur die Ursprungsforderung zu bezahlen sei. Das waren immerhin noch ca. 850 Euro.

Um des lieben Friedens willen gab ich nach. Danach wartete ich auf Antwort aus Nairobi wegen der Restsumme und zahlte weiter immer ordentlich unsere Beiträge. In der Zwischenzeit häuften sich die Horrorberichte über die Methoden des örtlichen Managers, aber die meisten Betroffenen zahlten wohl lieber (nicht die Beiträge, sondern an den Manager), anstatt sich zu wehren.

Im März erhielt ich eine Vorladung vor Gericht. Der Vorwurf: Ich würde nicht zahlen. Nun wurde ich richtig wütend und schwor mir, mich lieber einsperren zu lassen und daraus einen öffentlichen Skandal zu machen, als dem Druck nachzugeben. Aber oh Wunder - es kam anders. Einige Tage vor dem Termin rief mich jemand an. Er sei der neue Manager, der bisherige sei versetzt worden, wohl wegen der vielen Beschwerden. Er mache seit Dienstantritt nichts anderes als Schadensbegrenzung. Leider könne er den Gerichtstermin nicht mehr rückgängig machen, aber er wolle sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen.

Also ging ich zum Termin vor Gericht. Normalerweise läuft die Prozedur so ab: über hundert Leute sind im Gerichtssaal. Der Richter kommt. Ein Fall nach dem anderen wird aufgerufen. Man bekennt schuldig und die Strafe wird verkündet oder man sieht sich unschuldig, dann wird man gegen eine Bürgschaft bis zur Hauptverhandlung nach Hause geschickt.

Die Nervosität war mir anzumerken, aber ich bereitete innerlich schon eine flammende Rede vor. Ich wurde als erste aufgerufen und ins Richterzimmer gebeten. Den Richter kannte ich flüchtig. Wer auch schon da war - der frühere Manager der Krankenversicherung. Die Anklage wurde verlesen. Ich erklärte mich nicht schuldig und der Termin für die Hauptverhandlung wurde festgelegt. Dann aber fragte ich, ob ich etwas sagen darf. Es wurde mir gewährt und berichtete von dem Anruf des neuen Managers - fassungslose Gesichter. Der Richter meinte, er gebe mir einen "free Bond" eine Bürgschaft, die nur in meiner Unterschrift besteht. Er kenne mich und wisse, dass ich zum Termin kommen würde. Der ehemalige Manager schaute noch fassungsloser. Auch die Gerichtssekretärin war verwirrt. Ich könne doch nicht meine eigene Bürgschaft unterschreiben - ich zeigte ihr die richterliche Anordnung - ich konnte.

Heute war dann der Termin für die Hauptverhandlung. Der neuen Manager der Krankenversicherung versprach mir gestern noch, jemanden vorbei zu schicken, der die Anzeige zurückzuziehen soll. Ich wurde also wieder ins Richterzimmer gerufen. Der Mitarbeiter der Krankenversicherung saß schon dort und man erläuterte mir freundlich, dass die Anzeige zurückgezogen sei. Es sei bei uns ja alles in Ordnung und wir würden auch regelmäßig unsere Beiträge zahlen.

Für mich ist das Ganze ein typisches Beispiel für die beiden Seiten Kenias. Auf der einen Seite ist ein korrupter Machtmensch, der Menschen erpresst. Auf der anderen Seite ist ein anderer Mitarbeiter der selben Organisation, der ohne eine Frage alles wieder in Ordnung bringt und ein Richter, der den Ruf unserer Schule kennt, weiß dass wir helfen und alles tut, um uns zu unterstützen und die Sache konstruktiv vom Tisch zu bringen. Solche Menschen wie die letztgenannten ermutigen mich auch in schwierigen Situationen, weiter zu machen, denn: Es geht auch ohne Korruption.



21. Kalenderwoche von Inge

Zurück in Kenia

Nach einem dreiwöchigen Deutschlandaufenthalt bin ich nun zurück in Kenia.

Das erste, was mir schon aus der Luft auffiel: Es ist grün. Auf dem Weg vom Flughafen sehe ich überall riesige Pfützen. Es ist fast unmöglich den Schlaglöchern auszuweichen, es muss viel geregnet haben.

Zu Hause angekommen, schaue ich mich um, ich habe einen riesigen Wasserfleck an der Wohnzimmerdecke und das, obwohl ich doch das Dach vor einem Monat erst reparieren lassen habe. Ein Blick ins Badezimmer - der Betonfußboden ist nass, seltsam - hier hat doch seit drei Wochen niemand geduscht oder haben wir Geister? Beim genaueren Hinsehen sehe ich, dass die ganze Wand nass ist und nicht nur da, sondern auch in den Nebenräumen, wo der Putz bereits teilweise von den Wänden fällt. Na ja, ich bin seit 24 Stunden unterwegs und lege mich erst mal hin.

Als ich wach werde, gehe ich in die Küche - ich brauche erst mal einen Kaffee. Ein Rauschen veranlasst mich aus dem Fester zu sehen, vor meinem Fenster ist ein Fluss?! Er hat schon fast das Fenstersims erreicht. Bilder aus dem deutschen Fernsehen von den überschwemmungen in Europa tauchen vor meinem inneren Auge auf. Die Vorstellung von einer überfluteten Wohnung erschreckt mich doch etwas. Glücklicherweise steigt das Wasser nicht weiter. Allerdings läuft die kleine Gasse, die am Haus vorbei führt, jedes Mal in minutenschnelle voll Wasser, sobald es regnet.

In den nächsten Tagen höre ich die Nachrichten - überall überschwemmungen, Menschen müssen evakuiert werden, sie ertrinken. Ein Bekannter berichtet, das Kind eines Mitarbeiters sei in einer der riesigen Pfützen ertrunken.

Unsere Schülerinnen können oft nicht zur Schule kommen, weil der Schulweg überschwemmt ist.

Kenia ist ein Land der Extreme - nach der Dürre brauchen wir den Regen dringend, aber die Folgen sind oft unvorhersehbar und manchmal schrecklich.



17. Kalenderwoche von Inge

Urlaub

Seit Januar suchte eine Bekannte nach einer Möglichkeit für mich, hier an der Südküste Kenias eine Woche preiswert Urlaub zu machen, zunächst vergeblich. Ich war schon ganz verzweifelt - zehn Tage Urlaub in den letzten sieben Jahren waren etwas wenig.

Dann kam die Nachricht: Eine Woche Leisure Lodge, Halbpension, Standardzimmer mit Gartenblick im April für 155 Euro, ich konnte es kaum glauben, der Preis war super.

Es fing nicht so ganz gut an. Ich musste morgens noch in die Schule. Anstatt um 10.00 Uhr war ich um 15.00 Uhr dann endlich im Hotel. Leider hatte ich in der Hektik meinen Pass zu Hause gelassen. Also noch mal zurück - glücklicherweise - ich hatte alle Lichter brennen lassen.

Der Wachmann führte mich zum Zimmer, er lief immer weiter und ich war doch so müde - man hatte mich in die hinterste Ecke der Hotelanlage verfrachtet und dann auch noch in den ersten Stock.

Als ich mein Zimmer betrachtete, kam die erste überraschung, ich hatte die Wahl zwischen Einzel- und Doppelbett und ein Fernseher war auch im Zimmer. Ich machte den Vorhang auf - überraschung Nummer zwei: Ich war in dem Teil mit dem schönsten Meerblick gelandet. Welcher Engel auch immer dafür verantwortlich war - man hatte mich in einer besseren Zimmerkategorie untergebracht.

Abends nach einem fantastischen Abendessen beschloss ich, mir die kenianischen Nachrichten anzusehen und landete direkt im Freitagabendkrimi des ZDF. Manchmal ist deutsches Fernsehen doch etwas Schönes.

Ich wäre am liebsten länger geblieben, aber leider war nach einer Woche alles vorbei!

Ihre Ingeborg Langefeld



16. Kalenderwoche von Inge

Wie gut, dass es Donat gibt!!!!

Unser Fahrer Donat ist in vieler Hinsicht hilfreich. Letzten Sonntag stellte er es wieder einmal unter Beweis.

Er begleitete Purity nach Mombasa ins Krankenhaus und bezahlte die Operations-Rechnung, damit ihr die Mandeln entfernt werden konnten.

Sie bekam die Schultelefonnummer und meine Nummer für den Notfall. Am nächsten Abend gegen 21.00 Uhr stand Donat vor meiner Türe: Mein Handy war am Ladegerät im Nebenzimmer und in der Schule natürlich auch niemand mehr. Purity brauche dringend Medikamente im Gegenwert von 60 Euro. Also was tun? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Medikamente so teuer sein sollten und mit so viel Geld um diese Zeit herumzulaufen, war außerdem nicht ratsam. Im Krankenhaus war um diese Zeit telefonisch niemand mehr zu erreichen.

Donat erklärte sich sofort bereit, nach Mombasa zu fahren und nach dem Rechten zu sehen. Er nahm 2200 Schilling (22 Euro) mit und machte sich auf den Weg. Gegen 23.00 Uhr rief ich ihn an. Die Medikamente kosteten 2600 Schilling, den Rest hatte er, ohne zu zögern, aus seiner Tasche bezahlt - Purity brauchte schließlich Hilfe. Nun hatte er kein Geld mehr für die Rückfahrt, was eine Nacht auf einer Bank im Krankenhaus bedeutete, da wir ihm in der Nacht kein Geld mehr schicken konnten.

Er hatte bereits alles mit unserem Ersatzfahrer organisiert, damit die Mädchen morgens zur Schule kamen. Am nächsten Morgen um 9.00 Uhr war er wieder da und arbeitete, als sei nichts gewesen.

Wie gut, dass es Donat gibt!



12. Kalenderwoche von Kirstin

Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten ...

"Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern", lautet ein Zitat auf einem farbenfrohen Poster, was an der Wand neben meinem Arbeitsplatz an der Schule hängt. Inzwischen bin ich schon sechs Wochen als Praktikantin an der Diani Maendeleo Academy und kann jeden Tag aufs Neue mit einem Lächeln den Wahrheitsgehalt dieses Spruches erkennen.

In meinem Praktikum bekam ich unter anderem einen Einblick in die Finanzierung von Girls' Hope. Ich stellte diverse Spendenbescheinigungen aus und verfasste Danksagungen. Auch erfuhr ich in einigen Gesprächen mit den Lehrern und Frau Ingeborg Langefeld von der Entstehung und der Entwicklung des Vereins.

Bereits in dieser kurzen Zeit konnte ich mitverfolgen, was offensichtlich möglich wird, wenn Menschen Hand in Hand Schritte in die richtige Richtung gehen. Ja, es gibt diese vielen kleinen Leute. Sie fördern das Projekt durch Sach- oder Geldspenden oder unterstützen es durch ihre Werbung, ihr Interesse oder Engagement.

Sie leben in ganz Deutschland verteilt, in diesen vielen kleinen Orten. Es sind Menschen, die durch Freunde, Bekannte oder auf anderem Wege auf uns aufmerksam werden.

Ob sie das Gesicht der Welt verändern? Unvergesslich wird für mich das Lächeln einer Schülerin bleiben, die sich darüber freute, ihre lang ersehnte Operation finanziert zu bekommen. So wie auch das Funkeln in den Augen einer anderen Schülerin, die ihre neuen Sportschuhe bekam, bei mir einen starken Eindruck hinterließ. Ein ebenso schöner Augenblick war, die Erleichterung im Gesicht eines Mädchens zu erkennen, als dieses erfuhr auch zukünftig die Schule besuchen zu können, weil es eine Patentante gefunden hatte. Ja, diese kleinen Leute verändern Gesichter dieser Welt!

In wenigen Minuten wird die Schulglocke läuten. Das bedeutet für mich, dass ich in den Klassenraum der Form 1 gehe. Auch ich konnte den Schülerinnen etwas Freude bereiten. Ich brachte ihnen zum Beispiel eine neue Fremdsprache bei - Deutsch. Sie lernten die Vokabeln fleißig und die meisten auch mit großer Begeisterung.

Leider neigt sich mein Praktikum bald dem Ende. Meine nächsten Schritte werde ich nun in Deutschland gehen, indem ich mich weiterhin für Girls' Hope engagiere.



11. Kalenderwoche von Philipp

Cholera

In Schimoni ist vor kurzem Cholera ausgebrochen. Diese Stadt befindet sich, genau wie unsere Schule in Mwabungo, im Msambweni-Distrikt.

Da sich die Krankheit sehr schnell in unserem Distrikt ausbreitet und auch schon Todesopfer gefordert hat, werden hohe Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. In Schimoni selbst haben Schulen, Gaststätten und Unterkünfte geschlossen.

Aber auch bei uns bleibt man nicht tatenlos. In der Schule setzen wir in diesen Tagen verstärkt auf Hygiene. Das bedeutet, dass sich die Schülerinnen mit Essigwasser die Hände waschen und auch die Küche regelmäßig mit Essigwasser gereinigt wird.

Heute Mittag wollte ich mir gebratene Kartoffeln kaufen, die an Straßenständen vertrieben werden. Dieser Verkauf ist wegen der großen Bedrohung der Cholera vorerst eingestellt worden.



10. Kalenderwoche von Inge

Die KCSE-Ergebnisse für 2009 sind veröffentlicht

KCSE (Kenian Certificate Secondary Education) ist eine Zentralabschlussprüfung für die weiterführenden Schulen in Kenia.

Vor kurzem wurden die Ergebnisse dieser Prüfung veröffentlicht. Nach einer Analyse der Ergebnisse haben wir mit Bedauern festgestellen müssen, dass die Coast Province, zu der ebenfalls unsere Schule gehört, wie in den vergangenen Jahren nach der North-Eastern Province die schlechtesten Ergebnisse erzielt hat.

Die North-Eastern Province besteht zu großen Teilen aus Wüste und wird von Nomadenvölkern bewohnt. Für diese besitzt Bildung oft einen untergeordneten Wert. Die Tatsache dass unsere Province nach dieser die schlechtesten Ergebnisse erzielt hat, zeigt wie wichtig es ist, Bildung gerade in unserer Region zu fördern.



9. Kalenderwoche von Philipp

Die ersten Eindrücke

Mein Name ist Philipp und ich bin seit dem 2.3.2010 Praktikant an der Maendeleo Academy in Ukunda. Mein Praktikum dauert insgesamt fünf Wochen bis Anfang April. Bei der Reise in ein so armes Land erlebt man zunächst einen großen Kulturschock.

Das Leben hier spielt sich hauptsächlich auf der Straße ab, die Arbeitslosigkeit liegt bei rund 60% und Armut ist das beherrschende Thema. Die Familien müssen hier teilweise mit 3000 Kenianischen Schilling (30 Euro) im Monat eine ganze Familie ernähren. Einige haben auch noch weniger.

Da liegt es nahe, dass für die Schulbildung der Kinder häufig kein Geld mehr übrig bleibt, speziell für die Mädchen, die hier in den Familien noch einen niedrigeren Stellenwert besitzen als die Jungen. Die große Hoffnung der Familien der Mädchen ist, dass Paten gefunden werden, die die Schulausbildung der Kinder finanzieren. Ein Monat Schule inkl. Verpflegung kostet 35 Euro pro Mädchen.

Die Maendeleo Academy ist größer als ich erwartet hatte. Hier gibt es ungefähr 90 Schülerinnen und 9 Lehrer. Auf einem sehr großen Grundstück stehen 4 Schulgebäude, ein Toilettenhaus und das Verwaltungsgebäude, in dem sich das Büro von der Vorsitzenden Frau Langefeld, die Bibliothek, das Rektorat, das Büro des Buchhalters, ein Gebetsraum, die Küche und das Lehrerzimmer befinden. Außerdem gibt es noch das Buscherhaus, das von der Buscherstiftung finanziert wurde und in dem die Mädchen hoffentlich bald übernachten können, um sich besser auf das Lernen konzentrieren zu können und nicht durch den familiären Alltag abgelenkt zu sein.

Für dieses Gebäude sind wir gerade noch auf der Suche nach einer Finanzierung einer geeigneten permanenten Möblierung, um den Mädchen auch einen längeren Aufenthalt in der Schule zu ermöglichen. Speziell für die Vorbereitung auf die Prüfungen wäre so ein Aufenthalt von großer Bedeutung. Zur sportlichen Betätigung befinden sich noch ein Fußball- und ein Volleyballplatz auf dem Gelände.

Die schulische Ausbildung scheint neben der noch nicht vorhandenen Schlafmöglichkeit sehr gut zu funktionieren, was man daran erkennen kann, dass im letzten Schuljahr alle Mädchen die staatliche Abschlussprüfung bestanden haben, was auch hier sicherlich nicht selbstverständlich ist. Zwei von ihnen haben sogar schon einen Ausbildungsplatz als Kellnerin bekommen. Leider haben manche Mädchen noch Mängel in der englischen Sprache, die ich zusammen mit einer zweiten Praktikantin in Arbeitsgemeinschaften versuchen werde, zu verringern.

Alles in allem ist mein erster Eindruck sehr positiv und ich freue mich zu sehen, dass den Mädchen an dieser Schule die Möglichkeit gegeben wird, der Armut zu entkommen, indem sie nach bestandenem Schulabschluss einem geregelten Beruf nachgehen können.



8. Kalenderwoche von Inge

Im Dschungel der Bürokratie

Im vergangenen Jahr habe ich unseren Schulleiter, Mr. Collins, für einen einmonatigen Gruppenaustausch, finanziert von Rotary International, vorgeschlagen. In unserem Rotary Distrikt gab es 74 Bewerbungen für 12 Plätze. Collins wurde genommen. Die Freude war reisig.

Nun hieß es, Vorbereitungen treffen und alles Notwendige organisieren. Leider fehlte ihm, von der Geburtsurkunde angefangen, alles, was man so an Papieren braucht, wenn man als Kenianer in die USA reisen will. Um die Geburtsurkunde zu bekommen, brauchte er zwei Monate und musste nach Nairobi fahren ("Come tomorrow" heißt in Kenia "Gib mir Geld") über den Kampf um den Reisepass berichtet Katharina auf unserer Homepage. Jedenfalls bekamen wir ihn nach zwei Wochen!!! ohne Schmiergeldzahlungen.

Nun kam die nächste Hürde, von der ich zuerst dachte, es sei keine: das Visum für die USA. Die USA legen großen Wert darauf, nur Besucher ins Land zu lassen, die "beweisen" können, dass sie auch wieder gehen - aber wie will man das beweisen? Außerdem muss man alles Mögliche vorlegen, von Passfotos im fortgeschriebenen Format über eine Auslandskrankenversicherung bis hin zu Nachweisen der beruflichen Qualifikation und Schreiben von allen möglichen Menschen, mit denen man irgendwie verbunden ist, natürlich notariell beglaubigt.

Wie gesagt, ich dachte, das sei einfach. Ein Schreiben von uns als Arbeitgeber und unserem Rotary Club waren schnell gemacht. Auch die Bankauszüge stellten kein Problem dar. Leider stellten sich die Eltern quer, ein Brief, in dem sie beschreiben sollten was für ein guter Sohn Collins ist, war nicht zu bekommen. Das Problem dahinter: Sie wollen nicht, dass er fliegt.

Dann stellte sich heraus, dass das Zertifikat über seinen Universitätsabschluss bei seinem ältesten Bruder in Nairobi ist. Der versprach, eine Kopie zu senden, was ja auch für die Schule wichtig ist, ein Nachweis über die abschließende Qualifikation unseres Schulleiters macht viel Sinn. Soweit so gut, es war Montag und wir hatten noch eine Woche, bis zum Termin für das persönliche Interview in der Botschaft - solch ein Termin ist nicht verschiebbar.

Vor dem Interview muss online ein Formular ausgefüllt werden, in dem die Adresse in den USA angegeben wird. Der Teamleiter versprach am Dienstag, uns diese zuzumailen - keine Email am Dienstag, am Mittwoch das gleiche. Das Zertifikat war auch noch nicht da. Langsam wurde ich nervös.

Eine Anwältin aus unserem Rotary Club versprach, die notarielle Beglaubigung der Unterlagen kurzfristig vorzunehmen, aber dafür mussten wir sie erst einmal komplett haben.

Es kam der Donnerstag - noch immer nichts, dafür allerdings Stromausfall. Emails abrufen bedeutete, in die Touristengegend zu fahren und in Internetcafes mit einem Generator zu gehen. Eigentlich hat so ein Schulleiter ja auch noch anderes zu tun - ich auch!

Wir hielten eine Krisensitzung ab. Uns blieb och ein Tag. Collins wollte Freitagabend fahren. Er rief seinen Bruder an und bat, das Zertifikat mit einem der überlandbusse zu schicken, er würde es dann von Mombasa abholen, wenn er die Krankenversicherung abschloss. Ich beschloss derweil, die Adresse in den USA online oder per Telefon zu ermitteln, abends hatten wir endlich wieder Strom. Ich fand die Adresse des Distrikts, der Collins eingeladen hatte. Aber nach den Informationen aus dem Internet hatten die nur Gruppenaustausch mit Indien.

Jetzt war ich völlig verwirrt und rief unsere Rotary Landesvorsitzende an: Des Rätsels Lösung: Collins fährt nicht nach Minneapolis, sondern nach Minnesota. Mein erster Gedanke war: Was sagt die Botschaft, wenn er die falsche Einladung vorlegt? Na gut, Freitag Vormittag hatten wir die Adresse, einen Anwaltstermin für den Nachmittag und Collins fuhr frohgemut nach Mombasa, um Fotos machen zu lassen, sein Zertifikat abzuholen und sein Versicherung zu bezahlen.

Nächster Schreck folgte: Die Versicherung wollte nicht nur Geld sondern auch seine Steuernummer. Bis zum Ladenschluss blieb nicht genug Zeit, um diese zu holen. Also beschlossen wir, er solle einen Tag später fahren und das mit der Versicherung Samstagmorgen regeln.

Dann war wieder einmal der Strom weg. An eine notarielle Bescheinigung war nicht mehr zu denken.

Der schlimmste Schock aber kam noch. Als Collins sein Zertifikat abholen wollte, war es nicht da. Der Bruder es nicht mit dem Bus geschickt, da der Vater nicht wollte, dass Collins fliegt. Und nun?

Wir hielten wieder Krisensitzung. Dabei fiel mir ein, dass ich ein Schreiben seiner Universität vorliegen hatte, indem Collins erfolgreiche Abschluss bescheinigt wird mit dem Hinweis, dass das Zertifikat in den nächsten Monaten ausgestellt werden werde. Ohne eine wirkliche Alternative gehabt zu haben, beschlossen wir, dass er mit dem Schreiben gehen muss. Wir werden sehen, ob die Botschaft ergänzende Unterlagen verlange.

Montagmorgen um 11.00 Uhr erhielt ich einen Anruf von unserer Landesvorsitzenden: Alles ist gut. Collins hat sein Visum und ich machte erst mal einen Strandspaziergang, um meinen Adrenalinspiegel wieder zu senken.



7. Kalenderwoche von Katharina

Ein Besuch in der Einwanderungsbehörde

Vor einigen Tagen waren Inge und ich bei der Immigration (Einwanderungsbehörde). Grund unseres Besuches waren zwei Angelegenheiten. Erstens wollten wir den Reisepass von Mr. Collins abholen und zweitens eine temporäre Arbeitserlaubnis für mich beantragen.

Zu der ersten und weitaus dringenderen Angelegenheit: Da Mr. Collins (der Schulleiter der Diani Maendeleo Academy) über den Rotary Club of Diani zu einem Austausch in die USA vorgeschlagen wurde und ein entsprechendes Visum dafür benötigt, ist der Besitz eines Reisepasses unerlässlich. Diesen jedoch zu erhalten, ohne Schmiergeld zu zahlen, erweist sich als eine Herausforderung.

Nachdem Inge und Mr. Collins schon mehrmals versprochen worden ist, dass der Pass zu einem gegebenen Datum zur Abholung fertig sein wird, ist es nun das sechste Mal, dass einer der beiden die Behörde aufsucht, um das Dokument endlich abzuholen. Nach langem Warten in der Schlange, nun am Schalter angekommen, bekam Inge die Information, dass der Pass leider nicht fertig sei, der Chef müsse noch unterschreiben. Gut, dass Inge sich in diesem Land auskennt und vor allem auch den Chef kennt und erklärt, sofort zu diesem gehen zu wollen. Und siehe da, der Pass liegt nun doch zur Abholung bereit. Inge bekam ihn und war sehr stolz auf sich und die Tatsache, zäh gewesen zu sein und das ganze Vorhaben nicht mit Schmiergeld beschleunigt zu haben.

Als sie beim Meeting ihres Rotary Clubs verkündete dass Mr. Collins nun im Besitz eines Reisepasses sei, ohne dafür extra etwas bezahlt zu haben, blickte sie in total erstaunte Gesichter.

Und nun zu der zweiten Angelegenheit unseres Besuches, meiner Arbeitserlaubnis. Da Inge die Prozedur bereits kannte, waren wir gut vorbereitet und fuhren mit allen zur Ausstellung notwendigen Unterlagen samt einem Scheck zu der Immigration. Nachdem wir der Sekretärin des Büros die Unterlagen vorgelegt hatten, schaute sie uns recht erstaunt an und teilte uns mit, dass wenn ich durch meine Arbeit an der Schule kein Geld verdienen würde, die Ausstellung der Arbeitserlaubnis kostenlos sei. Nur bei Arbeitsverhältnissen mit einem Entlohn wird eine Gebühr erhoben. Wir freuten uns, warteten und hatten nun eine Arbeitserlaubnis.

Nach dem wir die Immigration verlassen hatten, bekamen wir einen Anruf von einem Bekannten von Inge der sehr interessiert war, ob wir nun was bezahlt haben. Es ist schon sehr erschreckend festzustellen wie viel Korruption in Kenia kursiert und wie sehr die Menschen selber dazu bereit sind bei diesem System mitzumachen. Nach diesen Eindrücken würde ich mir wünschen, dass mehr Menschen dieses System der Schmiergelder boykotieren und ausharren anstatt den bequemen Weg der Korruption zu gehen.



3. Kalenderwoche von Inge

Ein Tagesausflug der etwas anderen Art

Letzten Donnerstag waren wir, eine unserer Lehrerinnen, Purity und ich, zur Voruntersuchung im Krankenhaus in Mombasa. Nach längerer Wartezeit saßen wir endlich auf dem Platz vor der Tür zum Arzt - wir waren die nächsten. Hier wird nämlich nicht der Name aufgerufen, sondern die Patienten rücken immer einen Platz weiter vor, bis sie an der Reihe sind.

Nach kurzer Erklärung der Krankengeschichte hat sich die recht junge ärztin Purity's Mandeln angeguckt. Diese waren so geschwollen und vereitert, dass die ärztin lieber eine erfahrenere Kollegin dazu rufen wollte. Da wir mittlerweile so viel Zeit im Krankenhaus verbracht hatten, dass es auf eine halbe Stunde mehr oder weniger nicht mehr ankam und wir natürlich genau wissen wollten, was die beste Vorgehensweise ist, haben wir auch noch auf die nächste ärztin gewartet. Diese bestätigte uns dann, dass die Mandeln dringend raus müssen, dass Purity allerdings auf jeden Fall vorher Antibiotika nehmen müsse, da die Mandel zu vereitert seien, als dass man eine OP durchführen könne. Für mich wurde zu diesem Zeitpunkt noch unverständlicher, wie Purity seit sieben Jahren mit derartigen Schmerzen leben kann und sich nicht einmal wirklich beschwert.

Ich dachte wir wären nun endlich fertig, aber leider sah es mal wieder anders aus. Keine der ärtzinnen war berechtigt uns einen OP-Termin zu geben. Alles was sie machen konnten, war uns die Antibiotika zu verschreiben und uns für die nächste Woche noch einmal herzubestellen. Hoffen wir, dass dieses Mal alles klappt.



2 . Kalenderwoche von Inge

Rauf auf die Fähre, runter von der Fähre

Im Moment ist "die Fähre" in Likoni gerade mal wieder ein Alptraum. Ständig bleibt eine der vier Fähren liegen, alles staut sich, Urlauber verpassen ihre Flugzeuge, wenn sie Einzelreisende sind oder die Maschinen müssen warten, wenn ganze Busse nicht durchkommen. Der Verkehr hat zugenommen. Die Fähren sind uralt.

Die kenianische Regierung hat endlich Gelder für neue Fähren bereit gestellt. Die neuen Fähren wurden in Deutschland bestellt, aber wie das hier so ist, kein Mensch weiß so genau, wo das Geld ist, außer dem Menschen, der es hat. Also warten wir.

Die Betreiber der Fähre versuchen die Situation nun so zu lösen, dass zur Hauptverkehrszeit, wenn auch die Berufspendler zu Fuß auf die Fähre müssen, die meisten Fähren keine Autos transportieren. Die Folge: Wartezeiten von bis zu vier Stunden, eine Katastrophe.

Um dem Ganzen zu entgehen, beschloss ich vor einigen Tagen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Mombasa zu fahren und die Fähre als Fußgängerin zu nutzen. Der Hinweg klappte prima - zurück leider nicht. Eigentlich war ich ganz vorne in der Wartegruppe, aber die Fähre kam nicht.und kam nicht.und kam nicht. Nach einer Stunde war sie endlich da und alle stürmten auf die Fähre. Inzwischen war es dunkel und ich fühlte mich etwas unwohl inmitten von hunderten von ungeduldigen Menschen. Leider fuhr sie nicht los. Nach einer viertel Stunde kam die Ansage, die Fähre habe ein Problem, wir müssten wieder runter. Viele Menschen sprangen über eine Mauer, um auf eine andere Fähre zu gelangen, die gerade angelegt hatte. Dann eine erneute Ansage, die Fähre sei überladen gewesen, wir dürften wieder zurück - leider fuhr die Fähre immer noch nicht los. Nach weiteren 15 Minuten eine erneute Durchsage - wir mögen die andere Fähre benutzen, die gerade ankam. Die aufgebrachte Menge stürmte auf die andere Fähre - keine Chance für die darauf befindlichen Autos, zuerst herunter zu fahren. Eigentlich hatte ich gedacht, die Autos müssten mit zurück, damit sich endlich etwas bewegt - weit gefehlt. Mühselig bahnten sie sich ihren Weg durch die Menschenmassen. Nach weiteren zwanzig Minuten war es geschafft, die Fähre setzte sich in Bewegung. Ich hatte zwei Stunden mit Warten verbracht.

Sollte jemand von den geschätzten Lesern irgend eine Ahnung haben, wo die von Kenia bestellten Fähren sind, wäre ich sicher nicht die Einzige, die dankbar für eine Information ist.